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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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tionale Gedanke als der Ausdruck eines Naturrechtes auch heute in ungeschwächter
Kraft“ weiterlebe , „er marschiert und triumphiert in aller Welt“. Gegner des Natio-
nalismus – und nicht etwa seine Propagandisten – versündigten sich in dieser Logik
schlichtweg an der Natur.603
Kaum ein Zitat macht das Primat des Völkischen in der burschenschaftlichen Welt-
sicht deutlicher als folgende Feststellung aus der Teutonen-Chronik von 1968 : „Als Sol-
daten sind wir fest und unerschrocken gegen jeden Feind gestanden , tausende Bur-
schenschafter haben , gleich den Helden von Langemark , ihr Leben hingegeben , ohne
zu fragen , ob die Monarchie , die Republik oder der nationalsoziale Absolutismus hin-
ter ihnen stehe.“604 ‚Für das ( deutsche ) Vaterland‘ galt es demnach , das Letzte hinzuge-
ben , versinnbildlicht auch im Verweis auf die ‚Schlacht von Langemark‘ ( alte Schreib-
weise : Langemarc , vgl. dazu Fußnote 249 auf S. 100 ) als ultimatives Beispiel deutscher
Selbstaufopferung um des Opfers willen. Gerade in Kriegszeiten galt es , dem jeweils
real existierenden Staat Gefolgschaft zu leisten. Anstatt basierend auf allgemeinen
ethischen Prinzipien die Möglichkeit einer Differenz zwischen dem Wollen der Herr-
schenden und dem Wohl der Beherrschten aufzumachen , wurde beides miteinander
identifiziert , gleichgültig , für welches politische Projekt und welche Werte es jeweils zu
streiten galt und wie die Herrschaft , die man stützte , sich jeweils legitimierte. Wurde
gerade nicht zur Front gerufen , gelangte die Überordnung von Volk über Staat im bur-
schenschaftlichen Denken zu vollster Entfaltung. So erhoben Burschenschafter sich
historisch nicht zuletzt dann in relevanter Zahl gegen ihre jeweilige Regierung , wenn
diese stärker demokratischen als völkischen Maßgaben folgte. Während die Weimarer
und die Erste österreichische Republik ihren Untergang gerade auch dem politischen
Wirken von Burschenschaftern verdankten , konnten Wilhelm II. oder Hitler ( der his-
torisch erstmals den real existierenden deutschen Staat einigermaßen mit burschen-
schaftlichen Vorstellungen von Vaterland in Deckung gebracht hatte ) auf breite bur-
schenschaftliche Unterstützung zählen.605
Hinterfragung des Primats
Offene Kritik am Primat des Völkischen in den eigenen Reihen ist in burschenschaft-
lichen Quellen aus Österreich nur selten zu finden. Als herausragendes Beispiel ist ein-
603 BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], Dringlichkeitsantrag D ( Silesia , Stiria , Suevia , Libertas ) zum ( ord. ) ADC-Tag
1958 , Beilage zu ADC-Rundschreiben Nr. 8 ( Albia ) vom 14. 4. 1958 , 2. Vgl. dazu auch den Hinweis , dass
UN-Charta und Allgemeine Erklärung der Menschenrechte es verbieten würden , „eine Nation , und so
auch unsere deutsche Nation , von dieser nie versiegenden Kraftquelle [ des Nationalismus , Anm. B. W. ]
auszuschließen“ ( ebd. ).
604 Teutonia 1968 , 110.
605 Vgl. für Deutschland Heither 1997a und Zorn 1965 , für Österreich den Abschnitt III.6.2.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619