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III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt
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wie auch die Bestimmung der Bedrohung selbst als wesentlich ‚fremdvölkische‘ sig-
nalisieren , dass – wie schon im 19. Jahrhundert – dem Bollwerkdenken weniger der
Freiheitsgedanke zugrunde lag als der völkisch-rassistische.694 Das Verhältnis insbe-
sondere zu ‚den Slaven‘ wurde dabei nicht nur als eines von Eigenem und Fremdem ,
sondern auch als eines von Höher- und Minderwertigkeit gedacht – wie etwa Berkas
einleitende Bemerkung über die für die autochthone Bevölkerung angeblich segens-
reiche Kolonisierung Südosteuropas695 oder ein Antrag Heinz-Christian Straches im
Wiener Gemeinderat zeigen , wonach „die Deutschstämmigen in den Nachfolgestaa-
ten der österreichisch-ungarischen Monarchie ( … ) zu schade“ seien , „um als Kultur-
dünger für andere Völker zu dienen“.696
Der weitgehend bruchlos aus der völkischen Propaganda früherer Jahrzehnte ( ein-
schließlich jener des Nationalsozialismus ) übernommene Antislawismus und Anti-
kommunismus erleichterten den Burschenschaften in zweierlei Hinsicht die Inte-
gration in die Zweite Republik : Zum einen vermittelten sie ihnen eine gewisse
Anschlussfähigkeit an in der österreichischen Bevölkerung weitverbreitete Ideolo-
geme , wenn auch die erhoffte Repopularisierung des Deutschnationalismus ausblieb ;
zum anderen stellten sie einen Ansatzpunkt dar , auf den eine zumindest notdürftige
Loyalität gegenüber dem österreichischen Staat sich gründen ließ. Im Angesichte aku-
ter Gefährdung , so hieß es nun , und der gleichzeitig offenkundigen Nicht-Realisier-
barkeit der großdeutschen Option hätten die völkischen Kräfte das österreichische
Staatsprojekt zu unterstützen und die österreichische Souveränität zu verteidigen , auf
dass das Land sich gegen die „bolschewistischen Nachbarstaaten“ behaupte.697 Eben-
diese Behauptung sei aber , so die nicht näher begründete Wahrnehmung der Liberten ,
nur unter deutschen Vorzeichen möglich : Die Aufgabe , „Brücke zu sein für die gro-
ßen Kulturkreise , aber auch Bollwerk des Abendlandes“, könne Österreich nur unter
Beibehaltung seiner „kulturelle( n ) Verbindung zur gesamten deutschen Nation“ erfül-
694 Besonders deutlich wird dies in der Sueven-Chronik Hans Schödls , der sich anerkennend über Schöne-
rers Einsatz für die „Reinerhaltung des Deutschtums in der Ostmark von fremdvölkischen und fremdras-
sigen Einflüssen“ bezieht und vom „ständigen Abwehrkampf“ der deutsch-völkischen Kreise „gegen das
Vordringen der Fremdvölker“ berichtet ( Suevia 1958 , 8 bzw. 9 ). Die Gleichzeitigkeit rassistischer und an-
tisemitischer Motive des ‚Abwehrkampfes‘ bezeugt eine Entschließung des Kreises VIII ( Österreich ) der
Deutschen Studentenschaft von 1927 : „Es ist die historische Sendung und völkische Pflicht des Ostmärkers
( … ), dieses deutsche Land gegen alle Völker aus dem Osten zu verteidigen und zu schützen , also auch ge-
gen das letzte in die deutsche Kultur eingebrochene Fremdvolk , gegen die Juden.“ ( Zit. n. Peham 2012 , 19 f. )
695 Im selben Sinne äußerte sich auch ein Michael Müller am Burschenschaftlichen Schulungskurs der
DBÖ 1960 ( vgl. die Abschrift in BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Abschrift des Referats , [ v. a. ] 1 ).
696 Zit. n. Horaczek/Reiterer 2009 , 92. Strache erklärte später , den Antrag nicht selbst formuliert , ja ihn
vor dem Einbringen nicht einmal gelesen zu haben.
697 PBW , Berka 1964 , 13. Auch die Liberten-Chronik verweist auf Berkas Beharren auf der „Notwendigkeit
der staatlichen Selbständigkeit Österreichs und ihre( r ) Bedeutung für die deutsche Mitte in der Ab-
wehr des Bolschewismus“ ( Libertas 1967 , 109 ; vgl. auch ebd., 353 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619