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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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Extremismus in jedweder Form“734 , Walter Lisch für die Teutonen zum „freiheitlich-
demokratischen Rechtsstaat“.735 Eine gewisse Skepsis spricht allenfalls aus Äußerungen
wie jener Wilhelm Figls am Olympia-Stiftungsfest 1974 , wonach „die Demokratie kein
Paradies ist , sondern bestenfalls ein Weg aus dem Chaos zu besserer Ordnung“.736 Figl
gemahnt damit an Adornos Anmerkung über die zu spät gekommene und in Folge von
Kriegsniederlagen eingeführte Demokratie in Deutschland , die analog auch für Öster-
reich Geltung beanspruchen kann :
Soviel wird man sagen können , daß das System politischer Demokratie zwar in Deutschland
als das akzeptiert wird , was in Amerika a working proposition heißt , als ein Funktionieren-
des , das bis jetzt Prosperität gestattete oder gar förderte. Aber Demokratie hat nicht derart
sich eingebürgert , daß sie die Menschen wirklich als ihre eigene Sache erfahren , sich selbst
als Subjekte der politischen Prozesse wissen. Sie wird als ein System unter anderen empfun-
den , ( … ) nicht aber als identisch mit dem Volk selber , als Ausdruck seiner Mündigkeit.737
Nichtsdestotrotz leistet Figl
– ebenso wie Steiner auf derselben Veranstaltung
– ein Be-
kenntnis zur Demokratie ab.738 Der burschenschaftliche Mainstream in Österreich hat
diese nach 1945 als ( Staats-)Form , als parlamentarische Geschäftsordnung , als büro-
kratisches Prozedere fraglos akzeptiert. Stimmen , die in eine andere Richtung weisen ,
beschränken sich in der Zweiten Republik auf die neonazistischen Ränder des Verbin-
dungswesens , die hier allerdings von nachrangigem Interesse sind.739
Legt man der Erörterung des burschenschaftlichen Verhältnisses zur Demokratie
eine stärker inhaltliche Bestimmung derselben zugrunde , ergibt sich ein weniger ein-
deutiges Bild. Wie Schiedel anmerkt , ist „die offene Agitation gegen die parlamenta-
rische Demokratie ( heute ) weitgehend auf den Neonazismus beschränkt“, während der
734 http://www.stiria-graz.at/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=14. Entgegen
der hier demonstrierten Äquidistanz wurde in burschenschaftlichen Kreisen historisch das Haupt-
gefährdungspotenzial für das demokratische System auf der Linken geortet , wie die Debatten um Un-
vereinbarkeitsbeschlüsse mit rechts- und linksextremen Gruppen im Rahmen der DB zeigen ( vgl. Kuhn
2002 , 63 f., 137., 143 f. sowie Kapitel IV.2.6 ; vgl. ferner zur Linken als Gefahr exemplarisch Der Ring
Nr. 12 / 1979 , 12 f. ).
735 Rede zum 100. Stiftungsfest 1968 , wiedergegeben in der Schlesischen Rundschau Nr. 24 / 1968 , 9 ( BAK ,
DB 9 , DBs 1542 ).
736 Figl 1974 , 7 f.
737 Adorno 2003a , 559.
738 Vgl. Figl 1974 , 8 bzw. Steiner 1974 , 13.
739 Vgl. dazu neben der einschlägigen kritischen Literatur die Aussage Arno Krügers , eines den Österrei-
chern durchaus wohlgesinnten Berliner Burschenschafters , wonach auch anno 1961 – wenn auch „nur
noch vereinzelt“ – „Burschenschafter in Österreich“ glaubten , „das Wohl unseres Volkes durch totali-
täre Staatsformen fördern zu können“ ( BAK , DB 9 , C. IV.2 [ A1 ], VaB-Mitteilungen Nr. 28 / 1961 [ Vor-
ort Bremen ], 8 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619