Seite - 308 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 308 unter dem Vorsitz der Oberösterreicher Germanen 1975 verabschiedete Entschließung der DB sprach sich sogar  – freilich wie auch der burschenschaftliche Antikollektivismus v. a. auf die politische Linke gemünzt  – dezidiert gegen „alle jene Gruppen“ aus , die „unter Benutzung demokratischer Formen an die Macht streben , um dann , wenn sie im Besitz der Macht sind , die Demokratie inhaltlich zu zerstören“.748 Ungeachtet dieser Beispiele ist festzustellen , dass dem burschenschaftlichen Main- stream in Österreich nach wie vor ein ausgeprägter Antiliberalismus , Antiindividualis- mus und Autoritarismus eignet , wie in weiterer Folge noch zu zeigen sein wird. Auch Antipluralismus kennzeichnet das ( austro-)burschenschaftliche Politikverständnis , so- fern die Haltung zu Vielfalt in den eigenen Reihen als Indikator gewertet werden kann ( vgl. Abschnitt III.4 ). All dies sowie insbesondere die Skepsis gegenüber , wenn nicht Verneinung der Idee universeller menschlicher Gleichheit steht einem Verständnis von Demokratie entgegen , das auf die Maximierung individueller Autonomie abzielt. Sol- che Autonomie würde entgegen der burschenschaftlichen Programmatik gerade nicht die Eingliederung der Einzelnen in eine ‚Volksgemeinschaft‘ , sondern im Gegenteil die Emanzipation von solchen ( Zwangs-)Kollektiven befördern. In Erwägung dessen ist zu konstatieren , dass die Burschenschaften in Österreich ihre schon im 19. Jahrhundert eingenommene „Distanz zum ( liberal-westeuropäische[ n ]) parlamentarischen Partei- ensystem“749 auf inhaltlicher Ebene bis heute nicht grundlegend überwunden haben. Entsprechende Vorbehalte wurden immer wieder auch offen artikuliert  – etwa am zuvor schon erwähnten BdO-Verbandstag 1919. Während Adorno die von ihm Ende der 1950er-Jahre konstatierte Demokratiedistanz der Deutschen gerade nicht als Aus- druck eines Nationalcharakters verstanden wissen wollte , sondern darauf pochte , „daß in der Fremdheit des Volkes zur Demokratie die Selbstentfremdung der Gesellschaft sich widerspiegelt“750 , formulierte man hier den Wunsch nach Staatseinrichtungen ( … ), die der deutschen Volksseele entsprechen. Sie [ die Burschen- schaft , Anm. B. W. ] fordert daher , daß mit der bisherigen Gepflogenheit gebrochen werde , einerseits undeutschen , westeuropäischen Vorbildern blind zu folgen , andererseits ledig- lich aus Gewohnheit starr an den überlieferten , längst veralteten Staatseinrichtungen fest- zuhalten.751 Gerhard Onder ( Libertas ) argwöhnte in einem Reisebericht aus Berlin von 1958 , dass die „westliche Demokratisierung ( … ) Materialismus“ anstelle „staatsbewußte( n ) Han- 748 Zit. n. Oberösterreicher Germanen 1994 , 47. 749 Stimmer 1997 ( Band I ), 500. 750 Adorno 2003a , 560. 751 Zit. n. Stimmer 1997 ( Band I ), 502.