Seite - 317 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 317 -
Text der Seite - 317 -
III.8 Burschenschaften und Demokratie
317
geführt werden , hinter verschlossenen Türen“ stattfänden und die Fusionsbefürworter
bereit seien , ihren Willen auch mit fragwürdigen Methoden gegen alle Widerstände
durchzusetzen.788 Tatsächlich bekundete der GAVT-Vorsitzende Dieter Weber als Re-
präsentant der Fusionsbefürworter 1961 , kurz vor dem anvisierten Fusionsburschentag ,
dass „weder eine Verzögerung , noch eine Ablehnung“ des Zusammenschlusses „gerecht-
fertigt“ sei. Dieser Ansicht war Weber bemerkenswerterweise nicht obwohl , sondern
gerade weil – wie er selbst festhielt – „einer Verschmelzung von DB und DBÖ ernst-
hafte Bedenken entgegen( standen )“.789
Auch innerhalb der DBÖ sahen sich Fusionsskeptiker als „Minderheit um eine
gerechte Vertretung ihres Standpunktes gebracht“. Man unterstellte ihnen „unred-
liche( ) Motive“ und praktiziere eine „Ausnützung der Geschäftsordnung gegen die
Andersdenkenden“, was „sehr undemokratisch“ sei. „Wir sollten auch den ehren , der
anderer Meinung ist als wir“, forderte der Stire Herbert Kier.790 Ob eine Mehrheit
von Bünden die restlichen zwingen könnte , gegen deren Willen der DB beizutreten ,
wurde immerhin diskutiert.791 Auch in anderen Fällen rief der verbandsinterne Um-
gang mit Minderheitenpositionen Kritik hervor : „( W )iederholt“, so die Gothen 1964
in einer Antragsbegründung , seien in der Vergangenheit „missliebige Anträge“ ohne
inhaltliche Behandlung von der Tagesordnung abgesetzt worden , womit das ( nach au-
ßen von burschenschaftlicher Seite stets eingeforderte ) „Recht der freien Meinungsäu-
ßerung zumindest stark eingeschränkt“ worden sei.792 Der Antrag , dass solche Strei-
chungen fortan nicht mit einfacher , sondern nur noch mit Dreiviertelmehrheit möglich
sein sollten , wurde allerdings klar ( mit 21 zu 9 Stimmen ) abgelehnt.793 Für eine wenig
liberale Debattenkultur spricht auch die von Scheichl erwähnte Usance , „unorthodoxe
788 AAG , Korrespondenzen , DB , Rundschreiben 1950–62 , Hofmeister 1960 , 1 f.
789 BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Arbeitsbericht des geschäftsführenden Ausschusses der Verbändetagung , An-
lage 2/3 zur Niederschrift des DBÖ-Tages 1961 , 2.
790 BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Niederschrift der gemeinsamen Sitzung von DBÖ- und Altherrentag 1961 , 3.
Klagen über ausufernde Versuche widerstreitender Fraktionen , einander über Geschäftsordnungsdebat-
ten auszustechen
– womit , so der Kritiker im vorliegenden Fall , „im Ergebnis jede demokratische Ein-
richtung zu Tode geritten werden kann“ – fanden sich auch in der DB ( AAG , Korrespondenzen , DB ,
Rundschreiben 1950–62 , Hofmeister 1960 , 1 ).
791 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Niederschrift des ( ord. ) DBÖ-Tages 1961 , 16 f. Libertas erwartete etwa , dass
die Minderheit sich dem Mehrheitsbeschluss füge ( vgl. ebd., 16 ) und fand darin Unterstützung durch
Alania , Brixia und Olympia. Arminia ortete gar eine „Tyrannisierung durch eine Minderheit , wenn sich
eine Minderheit einem Beschluss nicht beugt“, worin Gothia , Eisen Leoben und Teutonia ihr beistimm-
ten ( vgl. ebd., 17 ). Letztlich wurde die Frage des Beitritts den Bünden freigestellt. In einem anderen Fall
zwei Jahre darauf konnte dagegen eine Mehrheit die unwillige Minderheit zum korporativen Beitritt
zur Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung ( GfbG ) verhalten ( vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ],
Bericht des DBÖ-Rechtsausschusses , Anlage zur Niederschrift des DBÖ-Tages 1963 , 1 ).
792 BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Arbeitsunterlagen zum DBÖ-Tag 1964 , 3.
793 AAG , Korrespondenzen , DBÖ , Rundschreiben und Protokolle , Protokoll des DBÖ-Tages 1964 , 6.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619