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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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Ansichten“ mit einer Herausforderung des in solcher Weise auffällig gewordenen Bun-
des zur Hatz , also zur Serienmensur , zu quittieren ( vgl. Abschnitt III.4.4 ).794 Dem
Anschein nach wurden abweichende Meinungen in diesen Fällen als Beleidigung der
eigenen Überzeugungen empfunden. Auf einer rationaleren Ebene pochte man etwa
mit der Begründung auf „ideologische Übereinstimmung“ im Dachverband ( in die-
sem Fall : der DB ), dass die ansonsten aufkeimenden Debatten untragbare Reibungs-
verluste verursachen und „schon kleine Minderheiten eine Krise des Gesamtsystems
auslösen“ könnten.795
Bei Verfehlungen herrschte in ADC und DBÖ ein strenges Sanktionsregime vor. Wer
mit Beitragszahlungen im Verzug war , Fragebögen des Referenten für burschenschaft-
liche Arbeit nicht retournierte oder sich zu Pflichtabstimmungen nicht äußerte , musste
mit ‚Beireitungen‘ ( Geldstrafen ) rechnen796 ; unter Umständen konnte die Nichtbezah-
lung eines Tagungsbeitrages aber auch mit dem Entzug des Stimmrechts für die Folge-
tagung geahndet werden.797 Eine subtilere Form , um einzelne Bünde zu vom Verbands-
kollektiv erwünschtem Verhalten zu bewegen , bestand im ‚Outing‘ von Versäumnissen
und Minderleistungen ( wie etwa 1963 im Fall der ‚Grenzlandarbeit‘798 ). In der DB sorgte
größere ideologische Heterogenität für häufigere und schärfere Konflikte , im Zuge de-
rer auch zu härteren Strafen gegriffen wurde. Dabei wurden mitunter nicht nur bürokra-
tische Versäumnisse , sondern auch Überzeugungen sanktioniert. Insbesondere die völ-
kisch-fundamentalistischen Bünde der BG gingen mit Repressalien vom Verweis bis hin
zum Ausschluss gegen Burschenschaften vor , die es ihrer Meinung nach an ‚Grundsatz-
festigkeit‘ hatten fehlen lassen , d. h. die BG-Interpretation der burschenschaftlichen Idee
nicht teilten.799 Der Höhepunkt wurde am Burschentag 1975 erreicht , als unter maßgeb-
licher Mitwirkung österreichischer Verbindungen eine ganze Reihe moderater bundes-
deutscher Bünde für die ihrem Abstimmungsverhalten zugrunde liegende Intention [ sic ]
abgestraft wurden ( vgl. Kapitel IV.3.2 ). Begünstigt wurde das harte Vorgehen der BG
durch die 1971 eingeführte ‚Selbstausschlussklausel‘ , die es ermöglichte , Ausschlüsse un-
ter Umgehung des Burschentages als dem burschenschaftlichen Quasi-Parlament durch-
zusetzen. Ein Antrag , der sich u. a. gegen diesen Umstand richtete und den Burschentag
794 E-Mail von Sigurd Scheichl vom 11. 2. 2012.
795 Günther Paul ( Leder Leoben ) in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 4 / 1977 [ Juni ], 96.
796 Allemannia Graz forderte eine solche Sanktion 1958 etwa auch für Bünde , die in einer schon länger be-
kannten Causa noch keine Position formuliert hatten ( vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ord.
ADC-Tages 1958 , 7 ). In puncto Fragebögen vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Arbeitsunterlagen zum DBÖ-
Tag 1962 , 3.
797 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Niederschrift des DBÖ-Tages 1961 , 3.
798 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Niederschrift des DBÖ-Tages 1963 , 10 f. Zur ‚Grenzlandarbeit‘ vgl. Kapi-
tel IV.1.2.
799 Vgl. dazu die Nachzeichnung DB-interner Konflikte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bei
Kuhn 2002 , insbesondere Kapitel 4. 4.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619