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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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dung“ im Bund zu absolvieren.804 Die Figur des Mitbestimmungsrechts als Belastung
ist bereits aus der zuvor erörterten Hochschulreformdebatte geläufig.
Trotz der Selektivität der Mitgliedschaft und der Abstufung von Mitwirkungsrech-
ten präsentieren burschenschaftliche Werbematerialien den Bund im Allgemeinen und
die Institution des Convents im Besonderen gerne als „Demokratie im kleinen“ bzw.
„Parlament im kleinen“805 – eine Darstellung , die Michael Gehler als „apologetisch“
einstuft. Gehler argumentiert sein Verdikt unter Verweis auf die bereits angesprochene
„Mitgliederabstufung“, die wenig repräsentative Zusammensetzung und den geringen
weltanschaulichen Pluralismus des Convents sowie darauf , dass dieser anders als her-
kömmliche Parlamente nicht durch Wahlen zustande komme. „Vor diesem Hintergrund
erscheint es durchaus gerechtfertigt , den Convent unter ‚Integration‘ bzw. ‚Hierarchi-
sierung‘ einzuordnen , in seiner pseudodemokratisch-parlamentarischen Eigenschaft zu
entlarven und als Kind spätabsolutistischer Entwicklung zu begreifen.“806 In der eige-
nen Außendarstellung erscheinen Burschenschaften nichtsdestotrotz als Schulen aktiv
gelebter Demokratie. Am Convent oder auch auf Dachverbands-Tagungen lerne der
Einzelne , „sich eine eigenständige Meinung zu bilden“, diese gegenüber anderen zu ver-
treten und Argumente auszutauschen , aber auch die fallweise Nichtdurchsetzbarkeit
der eigenen Meinung zu akzeptieren und „demokratische Mehrheitsentscheide mitzu-
tragen“.807 Insofern wirken die Prozeduren der kollektiven Willensbildung im Bund –
die freilich zum Teil ( etwa hinsichtlich der Wahl und Absetzbarkeit der Funktionäre )
schon durch das österreichische Vereinsrecht vorgegeben sind
– als Gegengewicht zum
auf der Wertebene vermittelten Ideal der Standhaftigkeit , das ( im Sinne von Kompro-
missunfähigkeit ) sich in einem Spannungsverhältnis zu demokratischen Aushandlungs-
prozessen befindet ( vgl. Kapitel VI.2.3 ).
Gleichzeitig ist der inneren Struktur von Burschenschaften ein hierarchisches Ge-
präge nicht abzusprechen ; dies nicht nur mit Blick auf die erwähnte Zwei-Klassen-De-
mokratie ( innerer und äußerer Verband ), sondern etwa auch auf das burschenschaft-
liche Generationenverhältnis ( vgl. die Abschnitte III.4.2 und III.5.6 ). Wintersberger
führt die hohe ideologische Kontinuität der österreichischen Bünde trotz der rela tiven
Autonomie der Aktiven gegenüber der Altherrenschaft wesentlich auf „das autoritäre
804 AVSt , DBÖ 1994 , 7. Vgl. zum Wunsch nach Homogenität auch die Begründung der Probezeit über de-
ren Effekt , die Wahrscheinlichkeit später notwendig werdender Ausschlüsse gering zu halten ( ebd., 6 ).
805 AVSt , Deutsche Burschenschaft 1961 , 6. Die Formulierung vom „Parlament im kleinen“ ( das „nach de-
mokratischen Spielregeln“ und unter „Gleichberechtigung aller Mitglieder“ Entscheidungen treffe ) fin-
det sich u. a. auch bei Pawkowicz 1974 , 2. Zum demokratischen Charakter des Bundeslebens vgl. auch
DÖW , WKR-Folder 1991 und AVSt , DBÖ 1994 , 23.
806 Gehler 1997b , 367.
807 AVSt , DBÖ 1994 , 23.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619