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III.8 Burschenschaften und Demokratie
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zelbundes“, dem allein es offenbar nach Rechtsmeinung des RA zustand , seinen Mit-
gliedern entsprechende Vorschriften zu machen.821
Besonders umfassend ist die Kontrolle , die im Bund über Aktive ausgeübt wird. Der
‚Libertenspiegel‘ Berkas , Grundsatzdokument der Wiener Libertas , erlegte gerade den
Füchsen als den jüngsten Mitgliedern „strengste Pflichterfüllung als wesentliche( n )
Bestandteil burschenschaftlicher Erziehung“ auf. Zur Pflichterfüllung zählte auch die
Sicherstellung eines entsprechenden Studienfortgangs. Der Sprecher der Verbindung
habe in dieser Hinsicht als „freundschaftliche( r ) Mahner( )“ aufzutreten. „Aktive , die nicht
die Kraft aufbringen , ihre Studien zu beenden , hätten auszuscheiden.“822 Jedes studie-
rende Mitglied hatte „zu Semesterbeginn sein Studienziel und am Ende einen Erfolgs-
nachweis vorzulegen“, andernfalls Suspension auf ein Semester drohte.823 Libertas war
dabei kein Einzelfall , eine Kontrolle der Studienleistungen gang und gäbe. Die Oberös-
terreicher Germanen etwa verschärften ihre diesbezüglichen Regelungen 1987/88 weiter.824
Angesichts der harten Hand , mit welcher der burschenschaftliche Nachwuchs re-
giert wurde ( vgl. auch die Formulierung des Weißen Kreises in Österreich von der not-
wendigen „Korporationszucht“825 ), erscheint Gärtners an anderer Stelle schon zitierte
Analyse für den mangelnden Zustrom von Neumitgliedern nach 1945 nicht unplausi-
bel : U. a. sei dieser Mangel darauf zurückzuführen , dass „( m )an ( … ) sich heute nicht
gerne einer Gemeinschaftserziehung ( unterwirft )“.826 Genau das wurde aber , nicht nur
nach Gärtners Verständnis , von Beitrittsaspiranten erwartet. Wo burschenschaftliche
Erziehungsleistungen nicht den gewünschten Erfolg zeitigten , war über kurz oder lang
eine Trennung von dem Betreffenden die Folge.
Demokratie und Männerbund
Kaum eine Eigenschaft der Burschenschaften stellt deren demokratischen Anspruch
nachdrücklicher infrage als ihr Charakter als Männerbund in Form und Inhalt. Dies
nicht nur , weil ihre geschlechterspezifische Mitgliederselektion die „Utopie der reinen
Männergesellschaft“, eines universitären und generell öffentlichen Lebens ohne Frauen ,
ins 21. Jahrhundert fortschreibt827 , sondern vor allem aufgrund einer tiefer reichenden ,
821 BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage ( a ), Niederschrift des DB-Burschentages 1977 , 28.
822 ‚Libertenspiegel‘ , paraphrasiert in Libertas 1967 , 94.
823 Libertas 1967 , 59 ; vgl. auch 88 , wonach diese Regelung 1958 eingeführt wurde.
824 Vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 141.
825 Albia 2005 , 17. Vgl. auch Libertas 1967 , 180 , wo im Kontext des WKÖ von „strenge( r ) Korporations-
zucht“ die Rede ist. Die Zahlenangabe ist letztgenannter Quelle entnommen.
826 Alemannia 1962 , 27.
827 Kurth 2004 , 110. Diese Utopie
– die völkische Verbindungen historisch über die Ablehnung des Frauen-
studiums auch auf gesamtuniversitärer Ebene verfochten
– findet in der in Kapitel II schon erwähnten
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619