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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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( D )as klare Bewußtsein eines Erbes und einer Zugehörigkeit kann nur kollektiv angeeignet
werden und erfordert daher die grundsätzliche Abkehr vom Individualismus der westlich-
liberalen Gesellschaftsform. Somit ist der zentrale Wert der Burschenschaft nicht das Indi-
viduum , sondern die Völker und Kulturen.847
Einen „übersteigerte( n ) Individualismus“ diagnostizierte 2005 auch der Albe Stefan La-
konig. Sein Vermerk , dass dieser Individualismus „die Wurzeln einer gesunden Staats-
verfassung , die Gemeinschaft , aufgelöst“ habe848 , bezeugt die rechter Gesellschafts-
theorie eigentümliche Wahrnehmung der Gemeinschaft ( Bund , Volk und/oder Familie ),
nicht des/der Einzelnen , als ausschlaggebende Einheit jedes Gemeinwesens.
Nicht nur war das Individuum angehalten , „( d )as Einzelinteresse ( … ) nie über das
Volksinteresse“ zu stellen849 – es hatte vielmehr Ersteres den Gemeinschaftsinteressen
unterzuordnen , Opferbereitschaft und Selbstdisziplin zu üben.850 „Nicht fürs eigene Sein/
Kämpfen wir unentwegt./Nur für den Namen allein ,/Der unsre Liebe trägt :/Deutsch-
land !“, reimte etwa der Burschenschafter Fritz Stüber unter dem bezeichnenden Titel
‚Wir‘.851 Wenn Burschenschafter wie Friedrich Stefan ( Olympia ) die „Selbstdisziplin , die
sich der Waffenstudent selbst auferlegt“, als „hohen ethischen Wert“ betonen852 , so ist
daran nicht zuletzt die Doppelung des ‚selbst‘ beachtenswert : Der Waffenstudent wird
nicht diszipliniert , sondern unterwirft sich aus freien Stücken853 den Vorgaben der Kor-
poration , in dem Bewusstsein , damit einem Ziel zu dienen , das größer ist als all seine
persönlichen Aspirationen , bzw. einer Einheit , die bedeutsamer und wertvoller ist als er
selbst : „der überstaatlichen geistigen und kulturellen deutschen Volksgemeinschaft“.854
Die Behauptung des freiwilligen Denkens und Handelns über das eigene Ich hinaus
liegt , wie in Abschnitt III.6.3 ausgeführt wurde , als quasi-aristokratische Moral dem
burschenschaftlichen Führungsanspruch zugrunde. Der angehende Akademiker sollte
dereinst in verantwortungsbewusster Position „nicht als abgekapselter Individualist“
847 Ebd., 78.
848 Albia 2005 , 25.
849 So ein Grazer Marcho Teutone im Rahmen der Verbändetagung von DB und DBÖ 1960 ( BAK , DB 9 ,
B. VI.15 [ B ], Protokoll der Verbändetagung 1960 , 4 ).
850 Zur Frage der vermeintlichen Uneigennützigkeit bzw. ökonomischen Interesselosigkeit burschenschaft-
lichen Handelns vgl. die Überlegungen zur ‚relativen Autonomie des Ideologischen‘ in Abschnitt III.7.3.
851 Aula Nr. 1 / 1967 , Akademisches Leben , X ( Herv. entf. ). Vgl. zur Opferbereitschaft deren Beschwörung
im Rahmen burschenschaftlicher Gedenkpolitik ( Abschnitt II.5.3 ) sowie die DBÖ-Grundsätze von 1965
( BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], Anlage B zum DBÖ-Rundschreiben Nr. 1 [ Markomannia ] von 1965/66 , 1 ).
852 F. Stefan 2009 , 11.
853 Vgl. auch die von Waldemar Steiner am Olympia-Stiftungsfest 1974 propagierte „freiwillige Unterord-
nung in [ sic ]“ ein der burschenschaftlichen Weltanschauung „entsprechendes Tun“ ( Steiner 1974 , 14 ).
854 So der Dringlichkeitsantrag von Ostmarkenkartell und Libertas zum ADC-Tag 1958 ( BAK , DB 9 , E. 4
[ B1 ], Beilage zu ADC-Rundschreiben Nr. 8 [ Albia ] vom 14. 4. 1958 , 2 ). Vgl. auch Steiner 1974 , 9 f.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619