Seite - 329 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 329 -
Text der Seite - 329 -
III.8 Burschenschaften und Demokratie
329
agieren , „sondern mit der Verpflichtung zur Arbeit für das Wohl des Ganzen“, bzw.
habe „eine besondere Verpflichtung ( … ), der Gemeinschaft zu dienen“.855 Ein Zitat
des Innsbrucker Germanen Wolfram Bruckner bringt den Unterschied von völkischem
respektive ‚freiheitlichem‘ Denken zu Liberalismus und linkem Libertarismus auf den
Punkt , indem es deutlich macht , dass völkische Ideologie weder auf negative Frei-
heit als Zurückdrängung äußerer Zwänge noch auf positive Freiheit im Sinne der Er-
möglichung individueller Selbstbestimmung auf politischem , sozialem und ökonomi-
schem Gebiet ( einschließlich der vom Liberalismus definierten Sphäre des ‚Privaten‘ )
abstellt : „Nach alter österreichischer Tradition hat der Begriff ‚freiheitlich‘ nichts mit
Libertinage zu tun , bedeutet nicht frei von , sondern frei zu : zum Dienste an unserem
deutschen Volke , an unserer Heimat Österreich.“856 Zwar betonen auch Liberale , dass
Freiheit ständig neu errungen bzw. verteidigt werden müsse und insofern auch Auftrag
–
sich ihrer zu bedienen und sie zu verteidigen – sei ; dieser Auftrag dient allerdings der
Idee nach dem Erhalt von Freiheit selbst und nicht einem ihr äußerlichen ( und anti-
individualistischen ) Zweck wie dem Wohl einer imaginierten ‚Volksgemeinschaft‘.857
Konkret äußert die Unterordnung des Individuums unter das Kollektiv sich in Bur-
schenschaften etwa darin , dass der Bund sich vom einzelnen Burschenschafter los-
sagen ( ihn ausschließen ), den vermeintlichen Lebensbund also einseitig aufkündigen
kann. Umgekehrt wird ein Austritt nur „im Falle eines ehrenvollen Gesinnungswech-
sels“ als legitim angesehen und andernfalls als Treuebruch bzw. als Zeichen von Cha-
rakterschwäche gewertet.858 Auch wird , wie schon erwähnt , vom einzelnen Burschen-
schafter erwartet , eigene Überzeugungen hinter die innerbündische Mehrheitsmeinung
zurückzustellen. Ein Delegierter Silesias zur DBÖ-Arbeitstagung in Salzburg 1964 gab
dort etwa zu Protokoll , „daß ein Burschenschafter nicht seine persönliche Meinung
sondern nur die des Bundes zu vertreten habe“.859 Weiters konnte der Bund einem Mit-
glied die Übernahme eines Verbandsamtes verwehren oder umgekehrt Mitglieder für
die Mitarbeit im RFS „zur Verfügung stellen“.860
855 AVSt , Deutsche Burschenschaft 1961 , 3 bzw. Der Ring Nr. 4 / 1971 , 1. Letzteres Zitat stellt ein Plagiat
eines früheren Ring-Leitartikels von Helmut Krünes ( VDSt Sudetia Wien ) dar.
856 Rede am Tag der freiheitlichen Akademiker 1962 , zit. n. Aula Nr. 11 / 1962 , 10. Die DBÖ-Broschüre von
1994 beschreibt die Pflicht dagegen als Zusatz der negativen Freiheit ( vgl. AVSt , DBÖ 1994 , 27 f. ).
857 Vgl. auch hierzu die Ausführungen zum burschenschaftlichen Freiheitsbegriff in AVSt , DBÖ 1994 , 28.
Die schiere Möglichkeit von Freiheit wird hier an „d( a )s politische( ) Organisationsmodell( ) der Nation“
gebunden , das wiederum als Volksgemeinschaft und nicht als Willensnation gefasst wird. Der „enge Be-
zug von Freiheitsideal und Vaterlandsbegriff“ sei „grundlegend für das burschenschaftliche Denken“.
858 Vgl. Aldania 1994 , 158 bzw. 89.
859 Paraphrasiert in AAG , Korrespondenzen , DBÖ , Rundschreiben und Protokolle , Protokoll der Salzbur-
ger Arbeitstagung vom 30. 4. 1964 , 2.
860 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], DBÖ-Rundschreiben Nr. 1 ( Germania Graz ) vom 6. 7. 1962 , 3 bzw. BAK ,
DB 9 , E. 4 [ A3 ], Niederschrift des DBÖ-Tages 1963 , 6.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619