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III.8 Burschenschaften und Demokratie
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folge
– „ein ganz neuer Mensch“, als er nach 1945 wieder Anschluss an den Bund fand.
„( A )lles freue ihn , er fühle sich selig , die Farben tragen zu können.“ Nach seinem Tod
überwies die Ehefrau weiterhin seinen Mitgliedsbeitrag an den Bund : Ihrem Mann
sei „die Burschenschaft alles“ gewesen und die Fortzahlung daher „gewiß in seinem
Sinne“.866 Der Zusammenhang von Unterwerfung und Aufwertung ist allerdings kein
rein psychodynamischer , sondern tritt als Funktionalbeziehung zwischen Dienen und
Herrschen auch als ( politisch ) realer zutage – im Sinne der schon zitierten Aussage
Heinz-Christian Straches , wonach „man sich unterordnen und ( … ) dienen“ müsse , „um
später auch eine Führungsrolle übernehmen zu können“.867 So steht auch die hier oh-
nehin nur als idealtypisch behauptete Ich-Schwäche von Burschenschaftern nicht im
Widerspruch zur Existenz „starke( r ) Persönlichkeiten“ in den Verbindungen , die von
Geführten zu Anführern aufgestiegen sind.868
Ein Schlüsselmedium zur Einübung wie auch zur Demonstration und Überprüfung
der Bereitschaft zur Selbstentäußerung ist die Mensur. Sie „vergemeinschaftet durch das
Abverlangen von Standhalten und Beherrschung ( Überwindung des Ich ) und erzieht
zu Opferbereitschaft und Unterordnung“.869 Den österreichischen Bünden gilt sie bis
heute als unverzichtbar , weshalb sie die Abschaffung der Pflichtmensur als DB-Ver-
bandsprinzip 1971 – ein Zugeständnis an die moderateren Mitgliedsbünde im Gegen-
zug zur Aufnahme der Österreicher und der Annahme des ‚volkstumsbezogenen Va-
Ausnahmeregelung basierender Mitgliedsstatus
– möglicherweise ergänzt durch eine defizitäre Selbst-
wahrnehmung gegenüber der bildungsbürgerlichen Umgebung – könnte ein besonders ausgeprägtes
Bedürfnis begründet haben , sich der Zugehörigkeit zum Bund würdig zu erweisen ( ähnlich dem aus-
tro-burschenschaftlichen Drang , in staatsrechtlicher Abtrennung vom deutschen ‚Kernland‘ die eigene
völkische Identität fortwährend ostentativ zu bekräftigen ).
866 Paraphrasiert in Libertas 1967 , 313 bzw. ( letzter Teil ) zit. ebd., 313 f. Als drittes Beispiel sei die An-
merkung eines Silesen aus dem 19. Jahrhundert angeführt , er verdanke „doch alles , was ich an Mann-
haftigkeit , Biederkeit und Ehre besitze , unserer Burschenschaft. Ein in Bezug auf Charakter un-
fertiger Jüngling betrat ich Wien , gleich fähig , gute und schlechte Eindrücke aufzunehmen. Unter
Schurken wäre ich ein Schurke geworden , und unter meinen Landsleuten unfertig und schwankend
geblieben bis auf den heutigen Tag.“ In der Burschenschaft aber sei ihm „das Herz zunächst in der
gegenseitigen Liebe auf( gegangen ) und ward ( ich ) dann im Kreise für alles Gute und Schöne begeis-
terter Jünglinge für alle Mannestugenden empfänglich.“ ( Zit. n. den Semesternachrichten der Wiener
aB ! Silesia , Sommer 1987 , 15 )
867 Zitiert in Abschnitt III.6.3. Vgl. auch die ebendort angeführte Bemerkung Schiedels über die burschen-
schaftliche Sozialisation „nicht nur zum Untertan , sondern ( … ) vor allem zum Führer“.
868 Eben solche Persönlichkeiten hätten bei seinem Eintritt in den Bund „keine Abweichungen von ihrem
Standpunkt geduldet ( … ) und die damalige Fuxengeneration ziemlich rasch auf die damalige ‚Ober-
germanenlinie‘ gebracht“, führt der Oberösterreicher Germane Erwin Mayr aus
– und kommentiert damit
gleichzeitig das Maß an geistiger Autonomie des Einzelnen innerhalb des Bundes ( Brief vom Frühjahr
1989 an Friedrich Tulzer , zit. in Oberösterreicher Germanen 1994 , 72 ).
869 Peters 2004 , 229. Vgl. auch Schiedel/Wollner 2009 , 102 und 116–119.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619