Seite - 336 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 336 Zur Relevanz der Verbindungszugehörigkeit für das politische Verhalten des Einzel- nen außerhalb des Bundes sei auf die Kapitel I.2 und III.2 verwiesen. An dieser Stelle steht dagegen kollektiv-burschenschaftliches politisches Verhalten im Mittelpunkt , d. h. solches , bei dem Bünde , Verbände oder sonstige Gruppen von Burschenschaftern als solche handelnd in Erscheinung traten. In den Kapiteln III.1.1 f. wurde bereits ausgeführt , dass nach 1945 verschiedene , zu einem wesentlichen Teil ‚hausgemachte‘ Faktoren die Burschenschaften in der Umsetzung ihres ureigenen An- spruches behinderten , politisch aktiv und effektiv zu sein. Kollektive politische Praxis blieb über die Jahrzehnte stets  – etwa gegenüber der Pflege von burschenschaftlichem Brauchtum und Geselligkeit  – von nachrangiger Bedeutung2 , sieht man von Ausnah- men wie den in Sachen Südtirolterror umtriebigen Olympen und Brixen um 1960 oder den stark hochschulpolitisch engagierten Oberösterreicher Germanen um 1970 ab. In den 1950er-Jahren war ein Gutteil der völkisch-verbindungsstudentischen Res- sourcen durch den Wiederaufbau der Korporationen gebunden. Als dieser weitgehend abgeschlossen war  – Lindinger zufolge „( e )twa um 1960“3  – , nahmen allerdings cou- leurpolitische Themen ( die Vorbereitung der Fusion von DB und DBÖ , das Scheitern derselben und die Gründung der BG ) die Burschenschaften Österreichs stark in Be- schlag. Energien für politische Aktivitäten wurden in dieser Phase v. a. von der Süd- tirolfrage konsumiert ( vgl. Abschnitt IV.3 ). Nachdem österreichischen Bünden 1971 die Möglichkeit eröffnet wurde , der DB beizutreten , verlagerten diese den Fokus ihrer Tätigkeit sukzessive dorthin , während die DBÖ an Mitgliedern schrumpfte , rasant an Bedeutung verlor und ihre Tätigkeit schließlich de facto einstellte.4 Schon 1968 hatte Germania Innsbruck allerdings vermerkt , dass am DBÖ-Tag in Graz in diesem Jahr „jene Anträge , die auf eine Aktivierung der DBÖ abzielten“, nicht angenommen wor- den waren ; die DBÖ würde daher „wie bisher weiter‚arbeiten‘ [ sic ]“.5 1972 war der Wiener Korporations-Ring ( WKR ) nicht für die Vorschläge der Oberösterreicher Ger- 2 Dies lieferte idealistischen Burschenschaftern steten Anlass zu Sorge und Kritik. Der Umstand , dass die ADC-/DBÖ-Mitgliedsbünde jedenfalls in den 1950er- und 1960er-Jahren wiederholt vom Referenten für burschenschaftliche Arbeit angehalten wurden , über Fragebögen Auskunft zu ihrer politischen Pra- xis ( Zahl und Themen der Burschenschaftlichen Abende , Aktivitäten in der ‚Grenzlandarbeit‘ , Angaben zu den im RFS und anderen Organisationen engagierten Bundesbrüdern u. dgl. ) zu geben , spricht für ein starkes Kontrollbedürfnis vonseiten der ( sich ja v. a. aus Idealisten rekrutierenden ) politischen Klasse unter Burschenschaftern ( vgl. Kapitel III.2.1 f. ). Nicht zuletzt zielten diese Ermittlungen wohl auch darauf ab , Druck im Sinne eines verstärkten Engagements auszuüben , wussten die Bünde doch um ihre anste- hende ‚Evaluierung‘ durch das Verbandsorgan. 3 Lindinger 2009 , 73. 4 Im Rahmen dieses Buches steht die Tätigkeit von Burschenschafte( r )n aus Österreich und im österrei- chischen Kontext im Vordergrund. Die Aktivitäten innerhalb der DB und in anderen ‚gesamtdeutschen‘ Kontexten finden v. a. insoweit Berücksichtigung , als sie einen direkten Österreichbezug aufweisen. 5 Germanenmitteilungen , Juli 1968 , 2.