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IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn
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zur Einleitung eines Volksbegehrens sammeln , welches jedoch nie zustande kommen
sollte. Bemerkenswert war an der Initiative , dass katholische und völkische Verbindun-
gen , darunter ÖCV und WKR , sich zu einer „ ‚Plattform studentischer Jugend‘ “ zu-
sammenfanden , um einen eigenen Entwurf für ein Bundesverfassungsgesetz über um-
fassende Landesverteidigung durchzusetzen und dafür zu lobbyieren. Dieser Initiative
schlossen sich u. a. auch der RFS , die Arbeitsgemeinschaft Freiheitlicher Akademikerver-
bände ( ARGE FAV ), der ÖTB und der Österreichische Kameradschaftsbund ( ÖKB ) an.12
Auffällig ist mit Blick auf die verschiedenen ADC-/DBÖ-Initiativen zum einen ,
dass sie zumeist einstimmig oder mit großer Mehrheit beschlossen wurden ; zum an-
deren fällt auf , dass einige Bünde besonders häufig mit politischen Anträgen hervor-
traten , andere dagegen so gut wie nie. In der erstgenannten Gruppe sticht auf ADC-/
DBÖ-Ebene insbesondere Olympia Wien ( oft im Tandem mit ihrem Verkehrsbund
Leder Leoben ) hervor , zumal die Obergermanen sich ab ihrem DBÖ-Austritt 1966 auf
anderen Feldern ( DB , ÖB , RFS , ARGE WBL ) engagierten. Aus dieser Ungleich-
mäßigkeit lässt sich schließen , dass das für die Binnenperspektive des Einzelbundes
konstatierte Schisma zwischen ( politisch ) engagierten Burschenschaftern und weit-
gehend passiven Mitläufern auf der Ebene der zwischenburschenschaftlichen Bezie-
hungen seine Fortsetzung fand. Der Erfolg der Initiativen blieb , soweit die Quellen
darüber Auskunft geben , durch die Bank bescheiden und ging über Antwortschreiben ,
die den Erhalt einer Eingabe bestätigten , und vereinzelte Pressemeldungen selten hin-
aus.13 Nicht nur deshalb nahm die Zahl und Frequenz der Resolutionen über die Jahr-
zehnte ab ; als weitere wesentliche Einflussfaktoren sind der Bedeutungsverlust ( bis hin
zur Paralysierung ) der DBÖ durch Austritte , die damit einhergehende zunehmende
Verlagerung politischer Energien auf die DB sowie möglicherweise auch die ab den
1980er-Jahren an Bedeutung gewinnende Option zu nennen , politische Forderungen
über die FPÖ zu forcieren.14
12 Vgl. die Ausführungen in Der Ring Nr. 4 / 1971 ( S. 3 ), bemerkenswerterweise dargebracht durch den ÖCVer
Martin Schiller ( K.Ö.St.V. Rudolfina Wien ). In einer Ergänzung zu Schillers Artikel war zu erfahren , dass
bereits 140.000 Unterschriften zur Einleitung des Volksbegehrens gesammelt worden wären ( und somit
ein Vielfaches der benötigten Anzahl ). Als einer von zwei Hauptinitiatoren der Aktion wurde Kurt Mörz
( VDSt Sudetia , RFS-Mandatar im ÖH-Hauptausschuss – der heutigen Universitätsvertretung – der TH
Wien , später langjähriger Funktionär der FPÖ Wien ) angeführt ( ebd., 4 ), Tulzer zufolge ging die Initia-
tive vom WKR aus ( vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 24 ). Jedenfalls für die Oberösterreicher Germa-
nen und vorläufig blieb ‚Verteidigungspolitik‘ auch 1972 ein vorrangiges Betätigungsfeld ( vgl. ebd., 26 f. ).
13 Vgl. als Meldungen über vergleichsweise erfolgreiche Initiativen BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift
des ADC-Tages 1956 , 2 oder BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], DBÖ-Rundschreiben Nr. 1 ( Brixia ) vom Oktober
1960 , 3.
14 Für meine Forschung konnten über die 1960er-Jahre hinaus keine DBÖ-Protokolle eingesehen werden.
Die hier getroffene Beobachtung und Interpretation fußt daher auf dem durch andere burschenschaft-
liche Quellen vermittelten Eindruck und wurde vom Burschenschaftshistoriker Günter Cerwinka ( Alle-
mannia Graz ) auf persönliche Rückfrage vom 3. 4. 2012 für zutreffend und schlüssig befunden.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619