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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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heitlichen Studenten traditionell in ostentativer Distanz verharrt hatten ( vgl. hierzu auch
Kapitel V.2 ). Schon wahltaktisch war es der langjährigen zweitstärksten ÖH-Frak-
tion stets erstrebenswerter erschienen , sich als einzige parteiungebundene Wahloption
auf Hochschulebene zu präsentieren , anstatt mit einer Fünf-Prozent-Partei assoziiert
zu werden. Nun hatten die Verhältnisse sich umgekehrt – der RFS war vom Elekto-
rat auf das politische Existenzminimum reduziert worden , während die FPÖ sich in
steilem Aufstieg befand. Neben ( verstärkter ) finanzieller Unterstützung und der Ab-
kehr der Partei vom Liberalisierungskurs Peters und Stegers war demzufolge auch die
Hoffnung auf politischen Rückenwind ein Grund , sich von der Haider-FPÖ als de-
ren quasi-offizielle Studierendenorganisation anerkennen zu lassen.74 Allerdings war
diese FPÖ auf Wachstum eingestellt und daher auch auf Hochschulboden nicht für
das Minderheitenprogramm eines intellektualisierten Rechtsextremismus zu begeis-
tern. 1988/89 erfolgten auf Druck der Partei ( v. a. in Person der damaligen Generalse-
kretärin Heide Schmidt ) die Auflösung des RFS und seine Neugründung als FSI. Da
in Letzterer erneut bald Burschenschafter das Ruder übernahmen , änderte sich we-
nig an der Ausrichtung der Organisation. Im November 1991 hielt die FSI etwa eine
Südtirol-Veranstaltung ab , bei der auch die gesamte Aktivitas der inzwischen zurück-
gekehrten Oberöster reicher Germanen sich als „Saalschutz“ betätigte.75 Zwei Jahre nach
dem Auszug der Liberalen aus der FPÖ 1993 wurde die FSI wieder in den RFS über-
führt , der sich in der Folge verstärkt auch von Haider entfremdete.76
In Summe lässt sich konstatieren , dass der RFS Burschenschaften über einen ge-
wissen Zeitraum die Möglichkeit eröffnete , in einem gesellschaftlichen Teilbereich
politischen Einfluss auszuüben. Sein Niedergang war wohl teils durch nachlassendes
Engagement der Bünde ( ob aus mangelndem Interesse oder aufgrund des sich ab den
1960er-Jahren verschärfenden Personalmangels ) bedingt , stärker aber durch Verände-
rungen in Gesellschaft und Hochschule , die außerhalb des burschenschaftlichen Ein-
flussbereiches lagen. Mit dem Abstieg des RFS ging den Burschenschaften nicht nur
ein wesentlicher Einflussbereich verloren , sondern Scheichl zufolge auch eine zuneh-
mende Entpolitisierung einher : Das RFS-Engagement ( bzw. die in seinem Rahmen
von Burschenschaftern ausgeübten ÖH-Funktionen ) hätte einst gleichsam dazu ge-
zwungen , Positionen zu hochschul- und allgemeinpolitischen Fragen zu erarbeiten und
diesen Positionen gleichzeitig eine gewisse Öffentlichkeit verschafft.77
74 Von dieser Anerkennung berichtet H. Stefan ( 2009 , 130 ). Der Aula-Jugendausgabe Identität war 1992
zu entnehmen , dass die FSI seit 1989 „auf dem Boden der freiheitlichen Weltanschauung ( steht ), wie sie
auch durch das Parteiprogramm der FPÖ beschrieben wird“ ( zit. n. Perner/Schiedel/Zellhofer 1994 , 63 ).
75 Vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 176.
76 Vgl. H. Stefan 2009 , v. a. 130 f., sowie Schiedel/Zellhofer 1995 , v. a. 59.
77 Interview vom 8. 6. 2012.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619