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IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn
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zuwirken. Hierbei fällt auf , dass dieses Vorhaben in den 1950er- und 1960er-Jahren v. a.
publizistisch ( vorrangig in Medien des eigenen Lagers wie der Aula sowie in Leser-
briefen ) umgesetzt wurde , während man ab den 1970er-Jahren stärker aktionistisch und
auch stärker nach außen gewandt auftrat.106 Der Grund für diesen Umschwung dürfte
in der Durchsetzung des Austronationalismus auf breiter gesellschaftlicher Basis zu
finden sein.107 Diese Entwicklung entspannte zum einen das Verhältnis von Behörden
und politischen Autoritäten zu einem zunehmend irrelevant erscheinenden deutsch-
nationalen Lager ( und linderte so auch den tatsächlichen oder antizipierten Repres-
sionsdruck gegen völkische Bestrebungen ); zum anderen schien der Umstand , dass die
‚nationale Frage‘ außerhalb dieses Lagers zunehmend gar nicht mehr gestellt wurde ,
die Virulenz derselben aus burschenschaftlicher Sicht erst recht zu unterstreichen. Eine
WKR-Kundgebung vom November 1976 unter dem Motto „1000 Jahre Deutsch/Ös-
terreich“ ist auch als Intervention in diesem Sinne zu verstehen.108
Den größten Teil der aktionistisch-burschenschaftlichen Bewusstseinsarbeit für das
‚deutsche Österreich‘ bildeten Aktionen zum Tag der deutschen Einheit , der in der
Bundesrepublik bis 1990 am 17. Juni ( seither als Nationalfeiertag am 3. Oktober ) began-
gen wurde. Bemerkenswerterweise war es eine Burschenschaft aus Österreich
– Olym-
pia Wien – , die am DB-Burschentag 1975 den Antrag stellte , alle Mitgliedsbünde zu
einer Veranstaltung an diesem Tag zu verpflichten , da er „immer mehr in Vergessen-
heit“ gerate.109 Für die österreichischen Bünde bot der bundesdeutsche Feiertag nicht
nur eine Möglichkeit , die deutsche Teilung auf völkischer Folie zu thematisieren , son-
dern auch einen willkommenen Anlass , mit ihrer Kernbotschaft der Nicht-Identität
von staatlichen und ethnischen Grenzen nach außen zu treten. Nach Darstellung der
Oberösterreicher Germanen habe „dieser Gedenktag immer mehr Gewicht im Rahmen
der korporativen politischen Aktionen in Wien eingenommen“, nachdem linke Stu-
dierende eine Ausstellung des WKR zur menschenrechtlichen Situation in der DDR
106 Als eine Ausnahme lässt sich beispielsweise die 1958 von Arminia Graz propagierte Initiative anführen ,
den damals anstehenden ersten Tag der freiheitlichen Akademiker mit einer ‚Erzherzog-Johann-Feier‘
zu kombinieren , um einer befürchteten „Verfälschung der historischen Persönlichkeit“ des Erzherzogs
durch andere Akteure im Zuge des folgenden Gedenkjahres proaktiv entgegenzuwirken ( vgl. BAK , DB
9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift der gemeinsamen Sitzung des ADC- und des Altherrentages 1958 , 10 sowie
BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], ADC-Rundschreiben Nr. 1 [ Alemannia ] vom Juni 1958 , 5 ). Mutmaßlich antizi-
pierte man eine nicht der Staatsraison der Zweiten Republik entsprechende Unterschlagung der Rolle
Johanns als von der Frankfurter Nationalversammlung 1848 eingesetzter Reichsverweser und damit pro-
visorisches Staatsoberhaupt eines nie entstehenden ‚gesamtdeutschen‘ Reiches.
107 Vgl. dazu Spann 1997 , 153 f., der schon in den öffentlichen Reaktionen auf neonazistische Vorfälle und
die Borodajkewycz-Affäre in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre „eine sich festigende österreichische
Nationalidentität“ sichtbar werden und diese Entwicklung in weiterer Folge durch staatliche Maßnah-
men ( u. a. die Einführung des Nationalfeiertages 1965 ) weiter gefestigt sieht.
108 BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1977 , 12.
109 BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1975 , 26.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619