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IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn
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Während also der deutsche ( Quasi-)Nationalfeiertag von den Burschenschaften Öster-
reichs begangen wurde , lieferte ihnen der österreichische – von burschenschaftlicher
Seite auch nach seiner Erhebung in diesen Status 1965 ‚Staatsfeiertag‘ genannt
– ledig-
lich Anlass zu Missfallenskundgebungen , wie etwa einer Flugblattaktion 1980 im Rah-
men einer gemeinsamen Veranstaltung von BG und DBÖ in Graz.117 Hatten sich
die Burschenschaften nach 1945 mit der österreichischen Eigenstaatlichkeit zumin-
dest als Provisorium arrangiert , so war die Rede von einer ‚österreichischen Nation‘ für
sie nach wie vor unannehmbar. Besonders nachdrücklich dokumentierte dies Olympia
1988 , als sie – im Beisein zweier Fernsehteams – einen Kranz „mit schwarz-rot-golde-
ner Schleife“ am Denkmal des Erzherzogs Karl am Wiener Heldenplatz niederlegte.
Die Aktion sollte
– der Kranzschleifen-Aufschrift „Der historischen Wahrheit
– Bur-
schenschaft Olympia“ nach zu schließen – offenkundig einmal mehr den deutschen
Charakter Österreichs untermauern.118 Die Statue des Erzherzogs , den die Inschrift
als „beharrlichen Kämpfer für Deutschlands Ehre“ würdigt , erscheint zu diesem Zweck
durchaus passend ( wenngleich sie einst mit anti-preußischer , auf Habsburger Hege-
monie im deutschsprachigen Raum pochender und somit denkbar unburschenschaft-
licher Intention angebracht worden war119 ). Auch das Datum wurde mutmaßlich be-
wusst gewählt : Es handelte sich um den 13. März und somit um den 50. Jahrestag der
nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich , d. h. der Verwirklichung „des
Traumes der Deutschen Burschenschaft vom großen Reiche aller Deutschen“120 , so-
weit dieser Traum Österreich betraf.
Der hohe Stellenwert historischer Bezüge und sorgfältiger symbolischer Inszenie-
rung im öffentlichen Auftreten von Burschenschaften ( zumal angesichts der medialen
Begleitung , die von einer gezielten Kundgebung nach außen ausgehen lässt ) schließt
einen Zufall nahezu aus. Der Heldenplatz als mit dem ‚Anschluß‘ symbolisch eng ver-
knüpfte Bühne der Aktion sowie der Umstand , dass rund um jenes Datum eben das er-
wähnte Jubiläum Thema Nummer eins im öffentlichen Leben Österreichs war121 , las-
sen alternative Jahrestage mit gleichfalls großdeutschem Bezug ( am prominen testen
dierten , großösterreichischen Irredentismus fand allerdings , soweit feststellbar , im völkischen Korpo-
rationswesen kaum Anhänger.
117 Vgl. Dvorak 1996 , 67.
118 Ebd., 71.
119 Vgl. Hanisch 2003 , 112.
120 Aula Nr. 7–8 / 1971 , 22 ( ohne Autor ).
121 Es fanden in diesen Tagen quer durch Österreich Hunderte Gedenkveranstaltungen statt , darunter
eine Kundgebung mit kolportierten rund 30.000 TeilnehmerInnen am Wiener Rathausplatz am 10. 3.
und eine weitere mit fünfstelliger TeilnehmerInnenzahl am 12. 3. am Ballhausplatz ( vgl. die Arbeiter-Zei-
tung vom 11. 3. 1988 , 1–5 ; vom 12. 3. 1988 , 1–5 ; vom 14. 3. 1988 , 2 f. ; sowie , zu neonazistischen Interventionen ,
vom 15. 3. 1988 , 3 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619