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IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn
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Das ‚Feindbild Linke‘ wies in der Geschichte der Burschenschaften ( auch ) in Ös-
terreich eine gewisse Tradition auf.227 Während die Sozialdemokratie in ihren Anfän-
gen teils noch Führungspersonen aus dem Korporationsstudententum rekrutiert hatte ,
zählte sie
– trotz inhaltlichen Überschneidungen im Deutschnationalismus
– neben al-
len anderen marxistisch grundierten Bewegungen spätestens seit der Zwischenkriegs-
zeit zu den primären burschenschaftlichen Feindbildern.228 Ausschlaggebend dafür
waren nicht zuletzt die vorrevolutionären Konstellationen , die sich mit Ende des Ers-
ten Weltkriegs rings um Österreich ergaben ( siehe etwa die Proklamation von Räte-
republiken in Bayern und Ungarn ). Die Kontinuität des Antisemitismus über wech-
selnde Feindbestimmungen hinweg illustriert ein Zitat des Alemannen Fritz Gärtner :
„Zu Schönerers Zeit war die Kampfstellung gegen die Juden auf den Hochschulen ein
Teil des österreichischen Nationalitätenkampfes. Nun [ um 1921 , Anm. B. W. ] war es
Abwehr gegen die drohende bolschewistische Gefahr.“229
Nach 1945 war die Linke an den österreichischen Hochschulen zunächst so unbe-
deutend , dass für die Burschenschaften deren ( noch traditionsreichere ) Feindschaft mit
den katholischen Korporationen im Vordergrund stand. Während man allerdings zu-
mindest eine der Großparteien als potenzielle Koalitionspartnerin von VdU bzw. FPÖ
erachtete ( welche von beiden , war allerdings umstritten ) und nicht wenige Burschen-
schafter der SPÖ oder ÖVP sogar beitraten , wurde gegenüber KommunistInnen auf
schärfste Abgrenzung Wert gelegt. Als ein Ernest Steinfellner ( Libertas Wien ) im Rah-
men einer Diskussion auf Ebene des Wiener Delegierten-Convents ( WDC ) Ende 1955
laut über die Möglichkeit nachdachte , bei der anstehenden Nationalratswahl mit einer
taktischen Stimme für die Kommunistische Partei Österreichs ( KPÖ ) den Regierungs-
parteien zu schaden , sorgte dies „im DC ( für ) große Erregung“. Weder Steinfellners
Verdienste um den Wiederaufbau des Burschenschaftswesens noch sein Einwurf , dass
seine Motive aufgrund seiner „langjährigen burschenschaftlichen Arbeit“ wohl kaum
missverstanden werden könnten , bewahrten ihn vor vehementen Angriffen und letztlich
dem Ausschluss aus seinem Bund.230 Steinfellners ( durchaus nicht taktisch motivierte )
nen 1967 die Ansicht , dass man als Burschenschaft selbst kein Parteiprojekt verfolgen , wohl aber „den
Boden dazu vorbereiten“ könne ( Germanenmitteilungen , Dezember 1967 , o. S. ).
227 Wenn im Folgenden von ‚der‘ Linken die Rede ist , soll damit nicht einer Einebnung innerlinker Diffe-
renzen das Wort geredet , sondern vielmehr dem Umstand Rechnung getragen werden , dass burschen-
schaftliche Feinderklärungen aus Österreich sich in aller Regel unterschiedslos auf ‚alles , was links ist‘
erstrecken.
228 Bruna Sudetia berichtet beispielsweise von der Mitgliedschaft eines „Großteil( s ) der Aktivitas“ im Frei-
korps Deutsche Wehr , das „in der Abwehr kommunistischer deutschfeindlicher Aktionen auf Wiener
Boden erfolgreich tätig“ gewesen sei ( Wladar 1984 , 26 ).
229 Alemannia 1962 , 14.
230 Libertas 1967 , 68 f. Demzufolge hätten beim Ausschluss auch „ältere Unstimmigkeiten“ eine Rolle ge-
spielt. Aus Steinfellners Sicht vgl. AVSt , Steinfellner 1977 , 49–52. In der Zwischenkriegszeit war Stein-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619