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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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Die BG formulierte 1976 die metapolitische Fassung dieses Auftrags : Demnach ziele
burschenschaftliche politische Aktivität darauf ab , „die Studentenschaft im Sinne der
national-freiheitlichen Grundsätze der Burschenschaft zu beeinflussen und ( … ) den
Einfluß der Marxisten und Kommunisten an den Hochschulen zu brechen“.253 Meta-
politik war in burschenschaftlicher Wahrnehmung eine Strategie des politischen Geg-
ners : In der Hochschulpolitik habe die Linke ein taugliches Vehikel ihrer totalitären
Machtansprüche , einen Hebel zur Umwälzung der Gesellschaftsordnung im Wege einer
„Politisierung der Wissenschaft“ und der Indoktrinierung zukünftiger Eliten erkannt.254
Die in völkischen Akademikerkreisen gängige Darstellung , wonach die Hochschullinke
dabei als Agentin eines Weltherrschaft anstrebenden globalen Bolschewismus agiere ,
wertete nicht nur die eigene , selbst zugeschriebene Rolle als entschlossene Verhinde-
rer einer solchen Entwicklung auf ; vor allem sollte sie auch die Notwendigkeit unter-
streichen , den modischen inhaltlichen Offerten und strategischen Innovationen der
Linken Vergleichbares entgegenzusetzen.255 Damit wies der ‚Kampf gegen links‘ trotz
einer grundsätzlich defensiven Ausgangsposition auch eine offensive , nach vorne wei-
sende Komponente auf , was die nach 1945 grundsätzlich auf Bewahrung ausgelegten
Burschenschaften mit ungewohnter Zusatzmotivation versorgte.
Im Sinne des eben Ausgeführten zeigten Burschenschafter sich bestrebt , den Geg-
ner näher kennenzulernen und die Arbeit an eigenen Sinngebungsangeboten voran-
zutreiben – so jedenfalls auf Ebene der DB , wo in den 1970er-Jahren in Form von Se-
minaren und Broschüren viel Auseinandersetzung mit den geistigen Grundlagen des
Gegenübers wie auch der Burschenschaften selbst betrieben wurde. Man strebte nach
der „Aktualisierung , Konkretisierung und schließlich der Artikulierung eines eigenen
politischen und theoretischen Konzeptes , eigener Normen und eigener Wertvorstel-
lungen , kurz : einer eigenen Ideologie“, welche praktische Politik erst sinnvoll möglich
machen sollte , um „de( n ) Marxismus ( … ) schließlich zu verdrängen“.256 Nicht unwe-
sentlich mitbestimmt wurde dieser Kurs von den Oberösterreicher Germanen , DB-Vor-
sitzende 1974/75 , die in Österreich allerdings wenig Widerhall unter Burschenschafter-
kollegen fanden. Wohl aber gelang es ihnen , dem RFS einige Jahre lang ein intellektuell
dynamisches Profil aufzuprägen. Dieses fand nicht nur in der Erarbeitung umfassen-
253 AVSt , Burschenschaftliche Gemeinschaft 1976 , 17. Vgl. hierzu auch Kapitel III.1.2.
254 Der Ring Nr. 5 / 1970 , 3. Vgl. auch Pawkowicz 1974 , 3 und Norbert Gugerbauer in Der Ring Nr. 1 / 1971 , 2
und Nr. 3 / 1972 , 2 ; vgl. ferner Der Ring Nr. 3 / 1972 , 6 f. und Nr. 1 / 1975 , 3.
255 Vgl. Der Ring Nr. 1 / 1971 , 11.
256 BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage ( a ), Bericht des HPA , Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1975 ,
10. Allein auf diesem Burschentag brachte der HPA nicht weniger als zehn Anträge ein ( vgl. ebd., 20–
24 ). Zu seinen Aktivitäten , einschließlich einer entsprechenden Broschürenproduktion ( „Der Kommu-
nismus in Theorie und Praxis“, „Marxismuskritik“ ), vgl. die Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag
1977 , 6 bzw. 8 sowie zum DB-Burschentag 1978 , 6 ( selber Bestand ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619