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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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• Die ‚Neue Rechte‘ vollzog einen ( zumindest taktisch motivierten und oberfläch-
lichen ) Bruch mit den historischen Faschismen und suchte zur Begründung ihrer
Positionen nach weniger belasteten Anknüpfungspunkten , die sie in der griechi-
schen Antike , in mitteleuropäischen vorchristlichen Kulten ( Neuheidentum ) oder
bei den ‚konservativen Revolutionären‘ der Weimarer Republik um Ernst Jünger ,
Othmar Spann und anderen fanden , die freilich ihrerseits als Wegbereiter des Natio-
nalsozialismus einzustufen wären. Dementsprechend standen insbesondere solche
Vertreter des völkischen Korporationswesens in Österreich ‚neurechten‘ Ideen auf-
geschlossen gegenüber , die sich in der Betrachtung verbindungsstudentischer His-
torie ( selbst-)kritischer zeigten als die Mehrheit ihrer Waffenbrüder und bestrebt
waren , ihre Korporationen aus der nationalsozialistischen Traditionslinie zu lösen.
Beispielsweise präsentierte Sigurd Scheichl 1966 im Mitteilungsblatt seiner Innsbru-
cker Germanen für Armin Mohlers ‚Die konservative Revolution‘ als ein „ideologisch
bedeutsames Buch“.289 Zeitlich mit der Entstehung der ‚Neuen Rechten‘ in Frank-
reich und Deutschland zusammenfallend , wurden also auch von Burschenschaftern
in Österreich einschlägige Vordenker rezipiert , ohne freilich – wie Kapitel II.5 und
Abschnitt IV.2.3 belegen
– eine Aufkündigung des nationalsozialistischen Erbes auf
breiter Basis auszulösen.290
• Die ‚Neue Rechte‘ verwarf das Christentum wegen dessen im Ursprung egalitärer
Weltsicht und außereuropäischer Herkunft , während die Burschenschaften in Ös-
terreich historisch zwar in Opposition zum Katholizismus standen , gleichzeitig je-
doch enge Beziehungen zum Protestantismus unterhielten. Während diese Bindun-
gen , gemessen an der ‚Kulturkampf‘-Ära des Fin de Siècle , nach 1945 zunächst an
Kraft verloren , ist in jüngerer Vergangenheit wieder eine verstärkte Hinwendung zum
Christentum ( ohne genauere konfessionelle Bestimmung ) feststellbar. Dafür aus-
ler van den Bruck oder Oswald Spengler einerseits und Ernst Jünger oder Ernst Niekisch andererseits ),
weist aber auch darauf hin , dass die Zuordnung der ‚Nationalrevolutionäre‘ zur ‚Neuen Rechten‘ um-
stritten sei ( wohingegen Schiedel 1998 , 227 ausschließlich sie als ‚Neue Rechte‘ bezeichnet wissen will ).
Diese wahrten stärkere Kontinuitäten mit dem Nationalsozialismus und suchten Querfrontbildungen
zur Linken , während die ‚Jungkonservativen‘ v. a. auf andere konservative bzw. bürgerliche Spektren
wirken wollten ( vgl. Pfeiffer 2004 , 58–61 , hier v. a. : 58 f. ) – eine Spaltung , die entfernt an jene zwischen
ÖVP- und SPÖ-affinen Kreisen innerhalb der Burschenschaften in Österreich und der FPÖ gemahnt
( vgl. hierzu Kapitel V.5 ).
289 Germanenmitteilungen , April 1966 , 12. Scheichl bewarb Mohler – letzterer freilich mehr Neo- als Post-
faschist
– im Kontext seiner Bilanz über den Büchereibestand Germanias , die ihn zu der Anregung ver-
anlasste , doch auch das eine oder andere NS-kritischere Werk anzuschaffen ( vgl. ebd., 11 ).
290 Während Scheichl sich allerdings auch in weiterer Folge als selbstkritischer Exponent seiner Burschen-
schaft profilierte , entwickelte Hartmut Rochowanski
– der im Wintersemester 1967/68 vor seinen Ober-
österreicher Germanen über Spenglers Philosophie referiert hatte ( vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 ,
13 )
– kaum Distanz zur burschenschaftlichen Vergangenheitsbewältigung der Nachkriegszeit ( vgl. Ka-
pitel II.5.5 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619