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IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik
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Jenseits von Appellen an staatliche Institutionen betrieben die Burschenschaf-
ten auch Öffentlichkeitsarbeit im Sinne ihrer Südtirol-Agenda. Bestand diese zu-
nächst v. a. darin , Tageszeitungen die Resolutionstexte zur Kenntnis zu bringen , regte
DBÖ-Volkstumsreferent Heinz Hauffe ( Brixia ) 1961 die Aufnahme systematischer
Pressearbeit an. Ein Pressereferat sollte eingerichtet werden und internationale Me-
dien , aber auch außenpolitische Stellen aller UN-Staaten mit Informationsmaterial
zur Südtirolfrage versorgen , da die österreichische Diplomatie in dieser Hinsicht ver-
sagt habe.378 Einer von Hauffes Nachfolgern , Wolfdieter Stühlinger ( Suevia ), schlug
dem Verband drei Jahre später vor , bei den „größten Zeitungen“ für einen konzertier-
ten Südtirolbericht an einem festgelegten Tag zu lobbyieren , um „das Südtirolpro blem
eindrucksvoll weiten Kreisen der Bevölkerung“ näherzubringen.379 Während diese
Ideen zur Pressearbeit unrealisiert blieben , waren im Rahmen eigenständiger Propa-
ganda größere Erfolge zu verzeichnen. Schweinberger berichtet von groß angelegten
Flugblatt- , Klebe- und Plakatieraktionen , darunter eine von Olympia und Teutonia
Anfang Juni 1961 initiierte , bei der „Burschenschafter( ), Corps , Landsmannschaften
und Mitglieder( ) diverser nationaler Vereine“ in nur einer Nacht rund 15.000 Auf-
kleber in Wien affichiert hätten.380
Auch als Vortragsthema war Südtirol / Alto Adige in burschenschaftlichen Krei-
sen stets präsent. Sofern dabei nicht Burschenschafter selbst referierten , griff man
mit Vorliebe auf Südtiroler PolitikerInnen zurück , die burschenschaftlichen Positio-
nen nahestanden – etwa auf den SVP-Landtagsabgeordneten Franz Pahl , der 1986 ei-
nen von Olympia co-organisierten Vortrag an der Universität Wien hielt.381 Ebendort
diskutierte 1991 auf einem von der FSI zusammengestellten Podium unter dem Titel
„Ein Tirol – warum nicht ?“ die Landtagsabgeordnete Eva Klotz mit Parteienvertre-
tern von FPÖ ( Walter Meischberger ), ÖVP und SPÖ.382 Immer wieder wurden die
Südtirol-bezogenen Anliegen der Burschenschafter von diesen auch auf die Straße ge-
tragen. Schon im Studienjahr 1955/56 erwirkte der RFS
– ausgestattet mit dem „Profil ,
das ihm Burschenschafter gegeben haben“
– im ÖH-Zentralausschuss einen Beschluss
zur „Durchführung von Südtirol-Kundgebungen an allen österreichischen Hochschu-
len“.383 Eine weitere solche Veranstaltung fand am 13. Oktober 1956 vor dem Wiener
Rathaus statt und stellte laut Libertenzeitung „die erste völkische , von der freiheitli-
378 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Anlage 2/6 zur Niederschrift des ( ord. ) DBÖ-Tages 1961 , 2.
379 BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], Beilage VI zum DBÖ-Rundschreiben Nr. 4 ( Libertas ) vom Dezember 1964 , 1.
380 Schweinberger 2009 , 119.
381 Vgl. Aldania 1994 , 177 bzw. Dvorak 1996 , 69.
382 Vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 176. Klotz , Tochter des Terroristenführers Georg Klotz , war auf-
grund ihrer dogmatischen Linie in puncto Selbstbestimmung in Widerspruch zur SVP geraten und
hatte dieser 1983 den Rücken gekehrt.
383 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1956 , 5.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619