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IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik
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Brixia kaum plausibel erscheint. Auch der ADC-/DBÖ-Multifunktionär Peter Wrabetz
jun. ( Gothia Wien ) weist im DB-Organ 1962 eine pauschale Verantwortlichkeit der Bur-
schenschaften für die „radikalen Ansichten einiger Einzelgänger“ zurück457 : nie habe „die
Burschenschaft in ihrer Gesamtheit ( … ) Gewaltakte befürwortet , geschweige denn ge-
plant oder den Rahmen für deren Organisierung geboten“.458 Selbst DBÖ-intern apostro-
phiert der Innsbrucker Germane Karl Alber
– immerhin in seiner Funktion als Südtirolre-
ferent des Verbandes
– die Terrorakte 1963 als „bedauerliche Vorfälle der letzten Zeit , die
niemandem genützt , vielen aber unermeßlichen Schaden zugefügt“ hätten und die „von
offensichtlich isolierten Einzelpersonen inszeniert“ worden seien.459
Positionierungen wie diese bleiben allerdings nicht unwidersprochen. Während Alber
heftige Kritik an seiner Referententätigkeit hinnehmen muss460 , ruft Wrabetz mit seiner
Einstufung der Anschläge als „Fehlleistungen einer Handvoll junger Leute“461 Wider-
spruch hervor. Im Namen der „im Zusammenhang mit dem Südtiroler Freiheitskampf
verfolgten“ Olympen verwahrt sich deren Bundesbruder Josef Zinkl gegen die Ver-
harmlosung ihrer Taten als Ausdruck adoleszenten Überschwangs , zumal „das Durch-
schnittsalter der zur Debatte stehenden Olympen ( … ) bei 34 Jahren“ liege. Auch der
Hinweis , dass „mehrere Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg , darunter zwei Offiziere“
sich unter den Terrorverdächtigen der Verbindung befänden , soll die Ernsthaftigkeit
ihrer Motive unterstreichen.462 Wrabetz reagiert mit einer Klarstellung : Freilich werde
man dem „Idealismus“ von Gesetzesbrechern aus „nationalen oder ethischen Motiven
( … ) den gebührenden Respekt nicht versagen“. Allerdings sollte der „aktive Wider-
standskampf“ in Südtirol / Alto Adige nicht von einer „vereinsrechtlich zugelassenen“
Körperschaft getragen werden , da dies den „Bestand eines Bundes oder gar unseres
ganzen Verbindungswesens“ gefährden könne.463
Einig zeigten Wrabetz und Zinkl sich somit in der über bloße Relativierung hinaus-
gehenden Adelung des Terrors zum Widerstands- bzw. Freiheitskampf. Diese prägt bis
457 Wrabetz , seinen Artikel von 1962 zitierend , in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 5 / 1964 , 104.
458 Ebd., 103.
459 BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Bericht des Volkstumsreferenten für Südtirol , Anlage zur Niederschrift des
DBÖ-Tages 1963 , 1.
460 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Niederschrift des DBÖ-Tages 1963 , 10.
461 Burschenschaftliche Blätter Nr. 1–2 / 1964 , 8.
462 Burschenschaftliche Blätter Nr. 5 / 1964 , 102. ‚Aktivisten‘ fortgeschrittenen Alters fanden sich auch außer-
halb der Olympia , so etwa Helmut Riedl ( Silvania Wien ). Im Zweiten Weltkrieg u. a. im ‚Sonderstab‘
von Otto Skorzeny ( selbst Burschenschafter der Markomannia Wien ) tätig , hatte er als „Sprengmeis-
ter des BAS und Organisator der Sprengkurse für Südtiroler und Österreicher“ fungiert. Wie die rest-
lichen Angeklagten im dritten Grazer Südtirolprozess 1965 und bei dessen Wiederaufnahme in Linz
1967 blieb er unbehelligt ; 1970 bis 1972 amtierte er als FPÖ-Stadtparteiobmann in Innsbruck ( Dvorak
2002 , Biographisches Lexikon I/5 , 72 ; vgl. auch die Aula Nr. 3 / 1999 , Akademisches Leben , 3 ).
463 Burschenschaftliche Blätter Nr. 5 / 1964 , 103.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619