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IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik
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ein „staatsgefährliche( r )“ Missstand und als Instrument , „mit de( ss )en Hilfe deutsche
und windische Kinder gegen ihren Willen von Amts wegen slavisiert und in den ( … )
slavischen Kulturkreis gepresst werden“ sollten.481
Diese Gegenüberstellung soll nicht einer Ausblendung der zahlreichen Unter-
schiede in den historischen Hintergründen und konkreten Konfigurationen der bei-
den ‚Volksgruppenkonflikte‘ das Wort reden. Vielmehr geht sie von der Feststellung
aus , dass eine demokratisch-grundrechtliche Perspektive auf solche Konflikte sich ge-
rade dadurch auszeichnete , ungeachtet aller lokalen Spezifika
– eben universell
– Gel-
tung zu haben. Dass dieser Maßgabe von burschenschaftlicher Seite in den genannten
Fällen nicht entsprochen wurde , erklärt sich aus dem Primat des Deutsch-Völkischen
( und eben nicht eines universalistischen Prinzips ) in der burschenschaftlichen Welt-
sicht. In der völkisch grundierten Wahrnehmung sozialer Realität erscheint das Recht
grundsätzlich auf deutscher Seite und wird die Idee von Minderheitenrechten nur in-
soweit nachvollzogen , als sie sich für die ‚eigene‘ Volksgruppe ins Treffen führen lässt.
Diesen instrumentellen Zugang attestiert auch Michael Gehler der burschenschaft-
lichen Südtirolpolitik :
Man kämpfte gegen die staatliche Unterdrückung Italiens primär , weil sie ‚antideutsch‘ , nicht
aber weil sie antidemokratisch war , eine Parallele zum hilflosen ‚Antifaschismus‘ aus der Zwi-
schenkriegszeit. Minderheitenrechte setzen aber Demokratie voraus bzw. sind von diesen [ sic ]
kaum getrennt durchsetzbar.482
Die Einnahme einer völkischen statt universalistisch-demokratischen Perspektive
schlug sich notwendig in doppelten Standards und einer manichäischen bis invertier-
ten Realitätswahrnehmung nieder , in der etwa – wie schon erwähnt – die ‚deutsche‘
DB-Burschentag 1972 ( BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage [ a ], Niederschrift , 29–31 ) oder Widmann 1985 ,
hier v. a. 337 f. Das als ‚Ortstafelsturm‘ bekannt gewordene völkische Pogrom vom Herbst 1972 fand in
burschenschaftlichen Kreisen Reaktionen zwischen Verständnis und expliziter Zustimmung ( vgl. etwa
die Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1973 , 31 , selber Bestand ; Aula Nr. 10 / 1972 , 8 ). Die Aula ver-
folgte diesbezüglich eine konsequente Linie der Rechtfertigung durch Schuldumkehr und stellte die
völkischen Ausschreitungen – ganz in der Tradition antisemitischer Pogrome – als Notwehrhandlun-
gen dar ( vgl. Aula Nr. 10 / 1972 , 5–9 ; Nr. 11 / 1972 , 8–10 ; Nr. 12 / 1972 , 10 f. ). Den Höhepunkt bildete dabei
der Abdruck eines Leserbriefes eines anonym bleibenden „katholischen Priesters aus Südkärnten“ , dem
zufolge die Staatsgrenze durch zweisprachige Ortstafeln „in höchstem Maße gefährdet“ würde. Sei die
„Besetzung durch Jugoslawien“ erst einmal vollzogen , würde dies nicht weniger als den „Tod für alle
deutschen Südkärntner“ bedeuten ( Aula Nr. 11 / 1982 , 9 ). Als Beleg für die Existenz moderaterer Posi-
tionen auch unter Burschenschaftern aus Österreich vgl. Müller 2005.
481 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Resolutionsentwürfe , Anlage zum Schreiben Olympias an die ADC-Bünde vom
April 1955 , 2 bzw. 1.
482 Gehler 1997b , 202 f.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619