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V. Burschenschaften und politische Parteien
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Eine Auseinandersetzung mit solchen Aspekten scheint nötig , um über die Fest-
stellung bloßer Präsenz von Korporierten in der Freiheitlichen Partei hinaus auch ihren
realen innerparteilichen Einfluss in quantitativer und qualitativer Hinsicht beurteilen
zu können. Sie sollte nicht nur das ideologische Profil der völkischen Korporationen
in seiner ganzen Bandbreite zutage treten lassen , sondern auch deutlich machen , dass
die parteipolitische bzw. auf Parteipolitik bezogene Aktivität der Verbindungsmitglie-
der ( und der Burschenschafter im Besonderen ) Relevanz für die österreichische Innen-
politik und die Entwicklung des politischen Systems der Zweiten Republik insgesamt
aufwies und -weist. Aufbauend auf diesen eher deskriptiven Abschnitten erörtere ich
abschließend die Wahrnehmung der FPÖ im völkischen Verbindungswesen und um-
gekehrt , wobei im Mittelpunkt die Funktionen stehen sollen , welche die beide Seiten
füreinander erfüll( t )en. Dabei wird auch auf die Verschiebungen eingegangen , die sich
in der Bedeutung und in der ( Fähigkeit zur ) Wahrnehmung dieser Funktionen im Lauf
der Jahrzehnte ergaben. Aufgrund der äußerst zurückhaltenden Thematisierung partei-
interner Abläufe bzw. der FPÖ überhaupt in verbindungsstudentischen Quellen ( mit
Ausnahme der Aula ) stützt das vorliegende Kapitel sich in Sachen Material v. a. auf In-
terviews , autobiographische Literatur und Darstellungen der Parteigeschichte durch
Protagonisten derselben.7 In Summe soll eine fundierte Einschätzung der Bedeutung
möglich werden , die Parteien – und insbesondere der FPÖ – für die politische Rele-
vanz der Burschenschaften in Österreich beizumessen ist. Zudem sollte die Auseinan-
dersetzung mit burschenschaftlichen Impulsen für die Parteientwicklung auch weitere
Aufschlüsse über das politisch-ideologische Profil der Burschenschaften ermöglichen ,
wie es in den beiden vorangegangenen Kapiteln III und IV gezeichnet wurde.
Vorausschickend erscheint mir wichtig zu betonen , dass die Trennung von Burschen-
schaften und FPÖ , wie sie der Rede vom Verhältnis der beiden und ihren Funktionen
füreinander zugrunde liegt , aufgrund der engen Verflechtung beider als v. a. in analytischer
Hinsicht getroffene anzusehen ist. Burschenschaften verhalten sich nicht bloß zur FPÖ ,
sondern sind über eine Vielzahl personeller und programmatischer Überschneidungen8
7 Weder Autobiographien noch organisationsgeschichtliche Darstellungen messen dem Aspekt der Kor-
porationszugehörigkeit darin auftretender Akteure querschnitthaft Bedeutung bei. Bereits eine simple
Re-Lektüre dieser Darstellungen unter dem Gesichtspunkt der Rolle von Korporierten kann sich daher
als durchaus fruchtbar erweisen.
8 Als ebenso spektakuläres wie rezentes Beispiel sei die Linzer Arminia Czernowitz angeführt. Ein anti-
faschistischer Blog identifizierte 2013 auf dem zu diesem Zeitpunkt auf der Startseite der Bund-Website
abgebildeten Gruppenfoto unter 24 Arminen neun aktuelle Parteifunktionäre , drei weitere auf freiheit-
lichen Wahllisten aufscheinende Personen und ein weiteres Parteimitglied. Die Ämter der erstgenann-
ten Gruppe waren großteils auf kommunaler und/oder Bezirksebene angesiedelt , was unterstreicht , dass
die dieses Kapitel prägende Auseinandersetzung mit Burschenschaftern in bundespolitischen Spitzen-
positionen nur einen Teil der burschenschaftlichen Durchdringung der Partei widerspiegelt ( vgl. http://
bawekoll.wordpress.com/2013/04/10/die-fpo-czernowitz , Artikel vom 10. 4. 2013 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619