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V. Burschenschaften und politische Parteien
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Neben dem Vergleich der Positionierungen verschiedener Burschenschafter- in-der-
Politik lassen sich zur Erhellung der Relevanz burschenschaftlicher Sozialisation jene
Indikatoren heranziehen , die in Kapitel I.2 zur Klärung der Frage formuliert wurden ,
wie vom Handeln einzelner Burschenschafter auf Eigenschaften der Burschenschaften
insgesamt geschlossen werden kann. Über die Einzelfallanalyse von Motivstrukturen
hinaus wurden dabei generische Kausalität , Exklusivität und relative Häufung genannt.
Auch die Feststellung absoluter Häufungen bestimmter Verhaltensweisen durch Bur-
schenschafter in politischen Funktionen kann wertvolle Aufschlüsse liefern.
Von zentraler Bedeutung für die Beantwortung beider zuvor formulierter Fragen ist
weiters der Abgleich des Verhaltens von Politikern mit burschenschaftlichem bzw. völ-
kisch-verbindungsstudentischem Hintergrund mit jenem nichtkorporierter Parteikol-
legInnen.9 Insbesondere was die Einschätzung des burschenschaftlichen Einflusses auf
den Charakter , die Programmatik und die Gesamtentwicklung der FPÖ betrifft , kann
letztlich nur die Analyse konkreter Auseinandersetzungen , Meinungsbildungs- und
Entscheidungsprozesse – wie sie in den Abschnitten V.3 bis V.5 vorgenommen wird –
verlässliche Aufschlüsse liefern. Über Unterschiede in individuellen Verhaltensweisen
hinaus können dabei eventuell auch Rollenverteilungen zwischen bestimmten maßgeb-
lichen Rekrutierungsbecken bzw. Einflussgruppen innerhalb der Partei10 festgestellt
werden. Die Austarierungsprozesse zwischen diesen Gruppen , in denen die Partei linie
geformt und in Teilen beständig neu verhandelt wird , vollziehen sich aufgrund des ge-
meinsamen ideologischen Kerns freilich in vielerlei Hinsicht als solche wechselsei-
tiger Bekräftigung. Der Umstand , dass Burschenschafter und nicht-burschenschaft-
liche FPÖ-PolitikerInnen über den Untersuchungszeitraum in völkischen Kernfragen
oft idente Positionen vertraten , belegt freilich keineswegs die Irrelevanz burschenschaft-
licher Sozialisation für die Positionierung von Burschenschaftern-in-der-Politik. Viel-
mehr unterstreicht er , dass die Burschenschaften in der Heranbildung des völkischen
Nachwuchses und der Bewahrung völkischer Ideologie niemals eine Monopolstellung
innehatten. Der Beantwortbarkeit der Frage , inwieweit bestimmte programmatische
Entwicklungen der FPÖ gerade auf burschenschaftlichen Einfluss zurückzuführen sind ,
sind auch angesichts dessen gewisse unhintergehbare Begrenzungen auferlegt. Ana
loges
9 Als Anregung zur methodischen Umsetzung dieses Abgleichs in zukünftigen Arbeiten sei auf die Arbei-
ten Hanna Bäck und Marc Debus verwiesen , die Parlamentsreden aus Deutschland und Österreich ei-
ner computerbasierten Inhaltsanalyse unterzogen und mit multivariaten Analyseverfahren Einflussfakto-
ren auf die innerparteiliche Bandbreite an Positionen in ausgewählten Politikbereichen zu identifizieren
suchten ( vgl. Bäck/Debus 2009 und 2010 ).
10 Für die FPÖ wären hier neben Partei( vorfeld )organisationen wie dem Ring Freiheitlicher Jugend ( RFJ )
oder dem Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender ( RFW ) eben die völkischen Verbindungen und sonstige
Teile des deutschnationalen Vereinswesens ( Österreichischer Turnerbund/ÖTB , Kärntner Abwehrkämpfer-
bund/KAB usw. ) zu nennen.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619