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V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden
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konnte
– tendenziell sogar ab.24 Dieser Befund trifft auf die Haider-Ära und die Stra-
che-FPÖ zwischen 2006 und 2008 zu. Die Nationalratswahlen 2013 dagegen brachten
einen Anstieg des Korporiertenanteils ( von 38,5 auf 45 % ) trotz Mandatszuwächsen und
weisen insofern auf eine stärkere Verankerung von Korporierten in der Strache- gegen-
über der Haider-FPÖ hin. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen , dass sich unter den kor-
porierten Neuzugängen dieser Legislaturperiode ein katholischer Verbindungsstudent
sowie drei Abgeordnete befinden , die erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter und
als freiheitliche MandatarInnen einer Verbindung beigetreten waren ( unter Letzteren
die einzigen beiden Mitglieder deutschnationaler Damenverbindungen im Nationalrat
nach 1945 ). Würden diese vier atypischen Vertreter des Verbindungswesens
– atypisch in
dem Sinne , dass die Partei hier nicht aus den Verbindungen rekrutierte , sondern um-
gekehrt die Verbindungen aus der Partei – nicht als Korporierte berücksichtigt , sänke
der Anteil Letzterer auf 35 Prozent und die Beobachtung des Abwärtstrends bei Frak-
tionswachstum fände Bestätigung.25 Umgekehrt ließe sich argumentieren , dass gerade
Späteintritte das Naheverhältnis von Partei und völkischem Verbindungswesen un-
terstreichen : Den rekrutierenden Korporationen verschaffen sie erhöhtes Ansehen in
Korporiertenkreisen und Bekanntheit darüber hinaus , den rekrutierten PolitikerInnen
dienen sie als Nachweis von Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit gegenüber dem völ-
kischen Vereinswesen , was dem innerparteilichen Standing und damit verbundenen
Karrierechancen tendenziell zuträglich ist.
Der Burschenschafteranteil an den FPÖ-MandatarInnen weist – schon aufgrund
der niedrigen absoluten Zahl der Merkmalsträger ( 19 Abgeordnete über einen Zeit-
raum von knapp 60 Jahren )
– eine ausgesprochen unstete Entwicklung auf. In mehreren
Gesetzgebungsperioden ( 1956 ff., 1966 ff., 1970 f. ) vertrat kein einziger Burschenschaf-
ter die FPÖ im Nationalrat – allerdings wies die Partei auch just in diesen Jahren ihre
historisch geringste Klubgröße von jeweils lediglich sechs Mandataren auf. Auch den
höchsten erreichten Werten von 22,2 ( 1959 ff. ) bzw. 20 Prozent ( 1962 ff. ) liegen kleine
Populationen zugrunde. Niedrige Burschenschafteranteile sind darüber hinaus ausge-
rechnet für die Obmannschaft des Burschenschafters Jörg Haider zu verzeichnen
– prä-
ziser : für deren zweiten Teil. Der Bruch ist mit der Wahl 1994 zu verorten , also in etwa
24 Vgl. Lunznig 2009 , 42.
25 Bei den spät Eingetretenen handelt es sich um Norbert Hofer ( Ehrenmitglied der technischen Bur-
schenschaft Marko-Germania Pinkafeld seit 2012 ), Anneliese Kitzmüller ( pennale Mädelschaft Sigrid zu
Wien , gegründet 2011 ) und Barbara Rosenkranz ( Sudetendeutsche akademische Damengilde Edda ). Alle
drei zogen 2013 nicht zum ersten Mal in den Nationalrat ein , wurden jedoch für diese Periode erstmals
als Korporierte erfasst , da sie vorangegangene Mandate noch als Nichtkorporierte erworben hatten. In
der zuvor dargestellten Gesamtübersicht über die freiheitlichen MandatarInnen seit 1956 wurden sie als
Korporierte gewertet , nicht aber für die reduzierte Gruppe der Abgeordneten mit mindestens einer vol-
len Amtsperiode ( der alle drei angehören ) bzw. mit mindestens zweien ( Hofer ), da die entsprechenden
Legislaturperioden von ihnen nicht als Korporierte angetreten worden waren.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619