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V. Burschenschaften und politische Parteien
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demische Burschenschafter im Besonderen an der Spitze von Landesparteien stärker
repräsentiert waren als im Nationalrat , wobei freilich die potenziellen Verzerrungs-
effekte durch die kleinere Referenzgruppe ( 78 gegenüber 204 MerkmalsträgerInnen )
zu berücksichtigen sind.
Im Vergleich der einzelnen Länder miteinander legt schon die AkademikerInnen-
quote beträchtliche Differenzen offen
– am niedrigsten ist sie , wenig überraschend , in
den bis heute oder bis vor Kurzem Universitäts-losen Bundesländern Vorarlberg ( 0 % ),
Niederösterreich ( 33,3 % ) und Burgenland ( 44,4 % ), am höchsten in den drei Län-
dern mit traditionsreichen Universitäten : Wien ( 83,3 % ), Steiermark ( 75 % ) und Tirol
( 66,7 % ). Die Wiener Landespartei , die über das flächenmäßig kleinste Einzugs gebiet ,
aber auch jenes mit der mit Abstand höchsten AkademikerInnendichte verfügt46 , weist
den höchsten Korporiertenanteil auf : Fünf von sechs ( oder 83,3 % ) ihrer bisherigen
Obmänner gehörten einer völkischen Verbindung an. Es folgen Oberösterreich ( fünf
von sieben ) und die Steiermark ( vier von acht ), am unteren Ende auch hier Vorarlberg
( keiner ) und das Burgenland ( einer von neun ). Die Tiroler FPÖ hatte
– trotz der Uni-
versitätsstadt Innsbruck – lediglich in drei von zwölf Fällen einen Korporierten zum
Obmann , was auf Scheichls Aussage über die westlichen Landesparteien verweist. Ge-
nerell scheint die unterschiedliche Verfasstheit der Landesorganisationen die Unter-
schiede im jeweiligen Stellenwert von Korporierten plausibler zu erklären , als sozio-
strukturelle Eigenheiten des jeweiligen Bundeslandes es vermögen. Dafür spricht auch
die Wiener Situation : Obwohl hier eine liberale AkademikerInnenschicht abseits der
Korporationen als Rekrutierungsfeld zur Verfügung stand , rekrutierten die freiheit-
lichen Landesparteiobmänner mit Hochschulabschluss sich in vier von fünf Fällen aus
dem völkischen Verbindungsstudententum.47 Ähnlich hoch fiel dieser Anteil in Kärn-
ten/Koroška ( fünf von sieben ) und in Oberösterreich ( vier von vier ) aus , was auf das
Fehlen alternativer akademischer Rekrutierungsfelder in diesen Landesorganisationen
verweist. In Tirol ( drei von acht ) oder dem Burgenland ( einer von vier ) waren Akade-
miker an der Parteispitze dagegen meist nicht korporiert.
Rekordwerte können die Kärntner und die oberösterreichischen Freiheitlichen auch
hinsichtlich des Anteils akademischer Burschenschafter an den Obmannpositionen
verbuchen : Dieser belief sich in Österreichs südlichstem Bundesland auf 33,3 Prozent
( bzw. auf 80 % der korporierten Obmänner ), im Land ob der Enns gar auf 43 Prozent
46 Vgl. für einen rezenten Überblick die Zahlen der Statistik Austria unter http://www.statistik.at/web_de/
statistiken/bildung_und_kultur/bildungsstand_der_bevoelkerung/067324.html.
47 Umgemünzt auf zeitliche Dauer saßen der Wiener Landespartei in 52 von 58 Jahren Parteigeschichte
( bis inklusive 2014 ) Korporierte vor. Die Hälfte oder mehr der Zeit unter Altherrenführung befanden
sich auch die Kärntner ( 36 Jahre ) und die steirische FPÖ ( 29 Jahre ). Zur Ermittlung dieser Werte wur-
den die einzelnen Amtsperioden der Obleute auf Jahre gerundet. Am unteren Ende der Wertung liegen
Vorarlberg ( kein einziges Jahr ) und Salzburg ( neun Jahre ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619