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V. Burschenschaften und politische Parteien
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Korporierten hier besonders nachhaltig : Der Absturz während der Haider-Ära blieb
in Wien aus , nur einmal seit 1973 wurde hier die 40-Prozent-Marke unterschritten. In
beiden Fällen brachte die Obmannschaft Straches einen zunächst rapiden Anstieg ,
gefolgt von einem moderaten Rückgang. Das Muster von Verspätung und langfristi-
ger Etablierung lässt sich in Wien auch für den burschenschaftlichen Korporations-
typ konstatieren : Wenngleich erst 1978 mit Rainer Pawkowicz der erste akademische
Burschenschafter für die FPÖ in den Landtag einzog , weist diese Verbindungsform
seither eine dauerhafte Präsenz ebendort auf. Seit der Jahrtausendwende lag der Bur-
schenschafteranteil in drei aufeinanderfolgenden Wahlen über allen je im Nationalrat
erreichten Werten ( 2001 : 63,6 % ; 2005 : 41,2 % ; 2010 : 32,3 % ). Wie nachhaltig sich die
völkischen Korporierten in der Wiener FPÖ ( und dadurch auch im Wiener Landtag )
etablieren konnten , lässt sich auch an den Nachbesetzungen im freiheitlichen Land-
tagsklub ablesen : In immerhin fünf von dreizehn Fällen der Mandatsniederlegung von
Alten Herren seit 1991 folgte dem Zurückgetretenen ein anderer Korporierter nach.
Bei näherer Betrachtung der Nachbesetzungen fällt auf , dass Korporierte den Wiener
Landtag in aller Regel aufgrund von Berufungen in höhere Ämter verließen , was sich
als Indiz für eine ( jedenfalls im Durchschnitt ) hervorgehobene innerparteiliche Stel-
lung von Korporierten deuten lässt : Von insgesamt fünfzehn Mandatsniederlegungen
durch Alte Herren hatten sieben eine Berufung in die Landesregierung zur Ursache59 ,
in vier Fällen wechselte der jeweilige Korporierte in den Nationalrat , ein weiterer ( Her-
bert Rudolph , VDSt Sudetia ) stieg 1991 zum ersten freiheitlichen Vizepräsidenten des
Wiener Stadtschulrates auf.60
Der Anteil von Korporierten an den AkademikerInnen im freiheitlichen Landtags-
klub weist einen ähnlichen Verlauf wie jener der Nationalratsfraktion auf , lag anders
als dieser jedoch in der gesamten Parteigeschichte der FPÖ lediglich einmal unter 40
Prozent. Erneut feststellbar sind ein steigender Anteil nichtkorporierter Akademike-
rInnen während der Haider-Ära sowie ein neuerlicher Rückgang dieses Anteils unter
Strache. Dieser Rückgang ereignete sich in Wien auf höherem Niveau als im Natio-
nalrat , weshalb Korporierte die Reihen der freiheitlichen Hochschulabsol ventInnen
im Wiener Landtag stärker dominierten als in diesem – mit einem Anteil um die 80
Prozent ( gegenüber rund 60 % ) seit Beginn der Obmannschaft Straches. Dies un-
terstreicht die fortbestehende Wichtigkeit der völkischen Verbindungen als akade-
misches Personalreservoir der FPÖ , lässt ihre über den akademischen Bereich hin-
ausgehende Bedeutung als Rekrutierungsfeld jedoch unbeleuchtet : So gehörten dem
59 Im Fall der Ersetzung von Eduard Schock durch Henriette Frank 2005 wurde die Zurücklegung des
Mandats gleichsam mit vierjähriger Verspätung vollzogen , da Schock seit Beginn der Legislaturperiode
parallel als Stadtrat und Landtagsabgeordneter amtierte.
60 Die drei restlichen Fälle betreffen Aldanen : Erich Engl stolperte über einen Gesetzesverstoß ( 1995 ), Rai-
ner Pawkowicz verstarb im Amt ( 1998 ), Kurth-Bodo Blind ging in Pension ( 2008 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619