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V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich
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im Ringen um die deutsche Volkszugehörigkeit der Österreicher jeder willkommen , der sich
zu ihr bekennt , einerlei welcher politischen Richtung er angehört. Es hieße die Partei über
die Idee des Volkes stellen , wollte man ein deutsches Volksbewußtsein nur innerhalb einer
bestimmten Partei anerkennen.69
Allerdings unterschied Berka in seinem Modell einer „klare( n ) Arbeitsteilung“ der „sich
als national bezeichnenden Verbände“ in Österreich wohlweislich zwischen den studen-
tischen Korporationen und ( in seinem Verständnis ) stärker kulturell als politisch ori-
entierten single-issue-Organisationen wie den Vertriebenenverbänden oder den völki-
schen ‚Schutzvereinen‘ ( Österreichische Landsmannschaft , Alpenländischer Kulturverband
usw. ). Während Letztere sich tunlichst jeder über ihren engen Aufgabenbereich hinaus-
gehenden Äußerung und tagespolitischen Einmischung enthalten und Personen unter-
schiedlicher Parteizugehörigkeit offenstehen sollten , um ihre Aufgabe der „Pflege der
deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“ wahrnehmen zu können , galt selbiges für
die Korporationen offenbar nur in abgeschwächter Form : Als stärker politisch als kul-
turell ausgerichtete Akteure dürften sie sich fallweise auch tagespolitisch äußern und
sollten sich in parteipolitischer Hinsicht lediglich einer offenen Deklarierung enthal-
ten ( es „vermeiden [ … ], sich als Bestandteil einer politischen Partei zu erklären“ ).70
Die Überlegung , jedenfalls in prioritären ( völkischen ) Belangen nicht alle Karten auf
die chronische Oppositionspartei FPÖ zu setzen , entsprach nicht nur einer kühlen poli-
tischen Rationalität , sondern
– folgt man der Darstellung des Salzburger FPÖ-Vizebür-
germeisters Walter Waldemar Steiner
– auch dem historischen Erbe der Burschenschaf-
ten. Diese seien , so Steiner am Olympia-Stiftungsfest 1974 , „selbst nie politische Partei“
gewesen , sondern vielmehr „Träger [ sic ] des grundsätzlichen – des weltanschaulichen
Gedankens“.71 Diese an die Aussagen Gallés und Berkas anknüpfende Behauptung ist
zwar angesichts der phasenweise totalen Ausrichtung mancher Bünde auf Schönerer
und der schließlich umfassenden Einschwörung des völkischen Verbindungswesens auf
Hitler in dieser Form nicht haltbar , birgt jedoch einen wahren Kern. Tatsächlich waren
Burschenschaften in der Regel nicht als solche für Parteien aktiv , sondern über Einzel-
personen
– gemäß der Maßgabe , dass die Verbindungen das „Gleis einer Parteipolitik“
meiden sollten , „( d )er einzelne Burschenschafter“ aber „nur im Rahmen einer Partei
effizient“ wirken könne und sich daher einer solchen anschließen sollte.72
69 Ebd., 15.
70 Ebd., 14 f. ( Zitate : 15 bzw. 14 ).
71 Steiner 1974 , 10.
72 Ebd. 11. Vgl. zum Verhältnis der Burschenschaften zu Schönerer Stimmer 1997 ( Band I ), 191 und 194 f., zu
ihrer „Unterordnung des Korporationsprinzips“ unter die Ziele der NSDAP ( die freilich zu einem Gut-
teil ohnehin die eigenen waren ) ebd., 575 sowie ferner 496.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619