Seite - 480 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 480 -
Text der Seite - 480 -
V. Burschenschaften und politische Parteien
480
Während dieses Phänomen vor allem als für die 1950er- und 1960er-Jahre charakte-
ristisch angesehen werden kann , wurde die parteipolitische Fixierung des Burschen-
schaftswesens auf die FPÖ in weiterer Folge nicht zuletzt durch noch weiter rechts
angesiedelte Gruppierungen aufgebrochen. Sowie die freiheitliche Parteispitze sich in
Richtung politischer Mitte bewegte , hatte sie Ausfransungen am völkisch-fundamen-
talistischen Rand der Partei zu gewärtigen. Zu nennen sind insbesondere die 1966 in
Reaktion auf den Liberalisierungskurs der Ära Peter gegründete Nationaldemokrati-
sche Partei ( NDP ) sowie die 1984 gegen die Fortführung und Zuspitzung dieses Kur-
ses unter Steger ins Leben gerufene National-Freiheitliche Aktion ( NFA ); für die Ära
des VdU ließe sich weiters die Freiheitliche Sammlung Österreichs ( FSÖ ) erwähnen.80
Während der Mäßigung der FPÖ im Vorfeld und während ihrer zweiten Regierungs-
beteiligung ab 2000 blieb eine parteiförmige Gegenreaktion aus ; diesmal waren es –
in grober Gegenüberstellung
– die pragmatischen Kreise , die sich abspalteten und den
völkischen FundamentalistInnen die Mutterpartei überließen. Alle drei genannten Al-
ternativprojekte entstanden aus der FPÖ bzw. dem VdU heraus und als Initiative von
Korporierten : des Burschenschafters Norbert Burger ( Olympia ) im Fall der NDP , des
Vereinsstudenten Otto Scrinzi ( VDSt Innsbruck ) im Fall der NFA sowie des Burschen-
schafters Fritz Stüber ( erst Vandalia , dann Gothia Wien ) und des Gildenschafters Fritz
Ursin ( Gilde Greif zu Wien ) im Fall der FSÖ. Gemeinsam ist allen dreien auch , dass
die Organisationen zwar über das eigene politische Lager hinaus selbst keine Bedeu-
tung erlangen konnten , aber erst von der Bildfläche verschwanden , nachdem die von
ihnen kritisierte Hauptrepräsentantin dieses Lagers sich in ihre Richtung bewegt hatte.
Die FSÖ ( 1956 , näher am historischen Vorbild , in Demokratisch-Nationale Arbeiterpar-
tei/DNAP umbenannt ) wurde durch die Gründung der FPÖ obsolet , NDP und NFA
stellten ihre Tätigkeit ( im Fall der ersteren formal durch behördliche Auflösung ) ein ,
nachdem Haider die Freiheitlichen übernommen und sie zu völkischen Grundsätzen
zurückgeführt hatte. „Ein Großteil“ der NDP-Mitglieder und -Kader hatte , so Schiedel ,
zum Zeitpunkt der Auflösung „den Weg zurück zur wieder entliberalisierten FPÖ be-
80 Diese war 1953 nach Fritz Stübers Ausschluss aus dem VdU gegründet worden , konnte den in ihrem
Namen angelegten Anspruch jedoch nicht ansatzweise einlösen , obwohl ihr „der größere Teil des Wie-
ner VdU geschlossen“ beigetreten sein soll ( Bihl 2006 , 630 ). Dass sie zumindest im burschenschaft-
lichen Lager vorübergehend Wirkung entfalten konnte , belegt ein Leserbrief des Liberten Berka von
1954. Darin wirft Berka Stüber vor , er habe mit einem VdU-kritischen Artikel Kämpfe , in denen „na-
tionalgesinnte Menschen in beiden Lagern stehen“, in die Burschenschaftlichen Blätter getragen und da-
mit die burschenschaftliche Einheit gefährdet ( Burschenschaftliche Blätter Nr. 5 / 1954 , 154 ; zum Anlass-
fall vgl. die BBl. Nr. 4 / 1954 , 103–105 sowie ferner Stübers Reaktion auf Berka in den BBl. Nr. 5 / 1954 ,
154 f. ). Auch Erwin Hirnschalls Schilderung , wonach „( v )iele RFSler“ den VdU nach dem Ausschluss
des „bei uns Jungen durchaus beliebten“ Stüber verlassen hätten ( Hirnschall 1991 , 24 ) belegt die Kon-
troverse , bei der es sich bezeichnenderweise nicht um einen lagerübergreifenden Konflikt , sondern
um einen innerhalb des völkischen Spektrums handelte.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619