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V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich
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Die NFA sollte nie eigene Parteistrukturen ausbilden und den Wandel von der Droh-
gebärde zum tatsächlichen Alternativangebot vollziehen.
Waren schon Wechsel von der FPÖ zur NDP geeignet gewesen , in burschenschaft-
lichen Kreisen Unruhe zu stiften , so waren Eintritte von Burschenschaftern in eine
der ‚lagerfremden‘ Großparteien SPÖ und ÖVP umso weiter davon entfernt , als
selbstverständlicher Ausdruck innerer Meinungsvielfalt wahrgenommen zu werden.
So sahen die Silvanen sich 1956 veranlasst , das „brennende( ) Problem“ der „Parteitä-
tigkeit von Burschenschaftern“ am ADC-Tag zu thematisieren. Eine Lösung sei nö-
tig , da „immer häufiger die Meinung zu hören ist , daß ein Burschenschafter in den
Koali
tionsparteien , vor allem in führender Stellung nichts zu suchen habe“. Der ADC
möge daher „Richtlinien“ beschließen , die für alle Bünde zu gelten hätten.93 Tat-
sächlich wurde also
– in Anknüpfung an in der Monarchie und der Ersten Republik
durchaus gängige Unvereinbarkeitsbeschlüsse94
– zum Teil noch nach 1945 die indi-
viduelle Entscheidungsfreiheit von Burschenschaftern in parteipolitischen Belangen
zu beschränken versucht. Der Antrag der Silvanen blieb aber ebenso erfolglos wie ein
Vorstoß Moldavias im selben Jahr , wonach Burschenschafter nur mit Zustimmung
ihrer Verbindung überhaupt parteipolitisch tätig werden dürften.95 Liberten war da-
gegen gemäß dem ebenfalls 1956 bundintern in Geltung gesetzten ‚Libertenspiegel‘
die „politische Betätigung“ nur freigestellt , „sofern diese nicht einer Partei oder Be-
wegung dient , welche den Bestand oder die Freiheit des deutschen Volkes gefähr-
det“.96 Auch die Teutonen stellten sich 1964 , im Einklang mit einem Beschluss ihres
Ostdeutschen Kartells , auf den Standpunkt , dass „ohne der Frage bloßer Mitgliedszu-
gehörigkeit zu einer politischen Partei vorzugreifen , die parteipolitische Tätigkeit so
lange grundsätzlich als zulässig angesehen werde , als sie mit den burschenschaftli-
chen Grundsätzen vereinbar sei“.97 Im Rahmen der Deutschen Burschenschaft ( DB )
wurden , wie schon an anderer Stelle erwähnt , 1973 Unvereinbarkeitsbeschlüsse ge-
genüber allerlei kommunistischen , sozialistischen , internationalistischen oder pazi-
und räsonierte über die Möglichkeit , den „nationale( n ) Gesinnungswähler( n )“ der FPÖ eine neue poli-
tische Heimat zu geben ( Aula Nr. 9 / 1984 , 8 ). In seiner Autobiographie von 2003 gibt er dagegen an , ein
eigenständiges Parteiprojekt „nie ernsthaft ins Auge gefaßt“ zu haben ; die NFA sei vielmehr als „Ideen-
werkstatt“ und „nationales Gewissen“ der FPÖ konzipiert gewesen ( Scrinzi 2003 , 298 ).
93 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1956 , 10.
94 Vgl. etwa die Burschenschaftlichen Blätter Nr. 1/2008 , 38 oder Cerwinka 1984 , 15. Zu Wahlempfehlungen
bzw. -vorschriften vgl. beispielsweise den Wahlaufruf des Gauverbands Donaugau der Vereinigung alter
Burschenschafter vom April 1927 ( faksimiliert in Hein 1984 , XV ).
95 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1956 , 8.
96 Paraphrasiert in Libertas 1967 , 96.
97 Teutonia 1968 , 108.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619