Seite - 485 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 485 -
Text der Seite - 485 -
V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich
485
schaftliche Kernanliegen
– allen voran das Festhalten am Deutschnationalismus
– fie-
len nach 1945 mit Alleinstellungsmerkmalen der FPÖ ( unter den Parlamentsparteien )
in eins. Dementsprechend begründete der Liberten-Chronist die zuvor erwähnte Wahl-
empfehlung für die FPÖ 1959 mit deren programmatischem Bekenntnis zur „deut-
schen Volks- und Kulturgemeinschaft“.103 Diese Erklärung stützt auch das Protokoll
einer Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses der zwischen DB und DBÖ ein-
gerichteten Verbändetagung ( GAVT ) im Jahr darauf. Demnach waren die Burschen-
schafter in Österreich jedenfalls damals „in ihrer pol. Arbeit auf die einzige deutsch-
nationale Partei , die FPÖ , festgelegt“, während der Eintritt in andere Parteien für „nur
aus Opportunitätsgründen möglich“ erachtet wurde.104 Anhand der handschriftlichen
Rohversion des Protokolls kann diese Aussage Norbert Burger ( als einem von zwei ös-
terreichischen Sitzungsteilnehmern ) zugeordnet werden. Diesem zufolge beruhte die
behauptete exklusive Parteibindung einzig auf dem Deutschtumsbekenntnis : Gäbe es
neben der FPÖ eine weitere „deutschbekennende Partei“ in Österreich , würden sich
Burschenschafter „auch dieser anschließen“.105
Zweifel an dieser Darstellung sind angebracht , lassen sich doch neben der ‚nati-
onalen Frage‘ weitere Punkte identifizieren , welche die FPÖ zum logischen partei-
politischen Bezugspunkt respektive Betätigungsfeld für völkische Korporierte mach-
ten. Zu nennen wären etwa ihre offene Gegnerschaft zu antinazistischen Politiken und
ihre Ablehnung sowohl des schwarzen Klerikalismus als auch des roten Egalitarismus
und Internationalismus , wie sehr auch immer Letztere nach 1945 ihres revolutionären
Impetus beraubt sein mochten. Die enge Streuung von Burschenschaftern-in-der-Poli-
tik über die Parteienlandschaft erscheint somit aus burschenschaftlicher Sicht schlicht
als Ausdruck von Alternativlosigkeit. In der Außenperspektive reflektiert sie auch die
beschränkte ideologische Vielfalt ( bzw. die darauf gerichteten Selektions- und Erzie-
hungsmaßnahmen im weitesten Sinn ) des Burschenschaftswesens in Österreich und
–
in ihrer Konstanz
– die in diesem jahrzehntelang gepflogene Reformabwehr.106 Für eine
nicht a priori eine „Fraktion in dem Sinn“, teilten jedoch aufgrund ihrer gemeinsamen Sozialisation in
den Bünden „bestimmte Werte wie Freiheit , Ehre , Vaterland“ ( ORF-Report vom 19. 6. 2012 ). Daraus
resultierten , so lässt sich schließen , auch ähnliche Vorstellungen darüber , wie eine unterstützenswerte
Partei auszusehen habe.
103 Libertas 1967 , 140.
104 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ C2 ], Protokoll der GAVT-Sitzung vom 3./4. 12. 1960 , 5.
105 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ C2 ], Handschriftliches Rohprotokoll der GAVT-Sitzung vom 3./4. 12. 1960 , 16.
Burger trat sechs Jahre später selbst den Beweis für diese Aussage an , indem er eine eigene Partei grün-
dete und dabei in burschenschaftlichen Kreisen Unterstützung fand.
106 Vgl. hierzu die Kapitel III.4 und III.5. Wie dort schon ausgeführt , beziehen die Diagnosen der Homo-
genität und der Wandlungsunwilligkeit sich nicht zwangsläufig auf die Überzeugungen der einzelnen
Burschenschafter , sondern auf die Grenzen des in burschenschaftlichen Kreisen sanktionsfrei Artiku-
lierbaren.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619