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V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich
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Die von Lindinger hier konstatierte verstärkte Einladung von Freiheitlichen kann
als Ausdruck einer allgemein größeren Offenheit des völkischen Verbindungswesens
in seiner Hinwendung zur FPÖ ab der Haider-Ära gedeutet werden. Eine solche Ent-
wicklung erscheint zumindest plausibel : Zum einen bereinigte die Kurskorrektur un-
ter Haider ( wie später erneut unter Strache ) jedenfalls zunächst inhaltliche Differen-
zen zwischen der Parteiführung und den Völkischen , zum anderen hatte die FPÖ
unter Haider oder Strache ihren AnhängerInnen deutlich mehr ( etwa an Mandaten
und Posten , Öffentlichkeit und multiplikatorischen Möglichkeiten ) anzubieten als die
im einstelligen Prozentbereich verharrende FPÖ eines Peter oder Götz. Der Rechts-
ruck stellte zwischenzeitig prekär gewordene Identifikation wieder her , der bislang
nie da gewesene Erfolg wiederum begründete die Bereitschaft , diese nun auch offen
nach außen zu tragen. Das Beispiel des ‚Ostarrichi-Kommerses‘ von 1996 , bei dem
die DB und der WKR unverhohlen gemeinsam mit der FPÖ als Co-Veranstalter auf-
traten , illustriert den Umschwung sehr anschaulich.111 Nur eineinhalb Monate zu-
vor hatte die Wiener Landtagswahl den Freiheitlichen mit 27,9 Prozent ihr bis heute
bestes Ergebnis bei Wahlen auf Landes- oder Bundesebene verschafft. In dieser Ver-
fassung war die FPÖ nicht nur in der Lage , nicht weniger als elf Angehörige völki-
scher Verbindungen mit Landtags- oder Stadtratsposten auszustatten , sondern er-
schien auch durchaus geeignet , ein Image von Zukunftsfähigkeit , Jugendlichkeit und
Erfolg auf ihre Kooperationspartner abfärben zu lassen. Umgekehrt hatten die po-
tenziellen Nachteile einer offenen Identifikation mit den Freiheitlichen angesichts ei-
nes in Umfang und Effektivität reduzierten großkoalitionären Patronagewesens und
der erweiterten Allokationsmöglichkeiten der eigenen Partei an Schrecken verloren.
Dass die FPÖ aufgrund ihrer Erfolge politisch und medial auch vermehrt Angriffen
ausgesetzt war , könnte diesen Aspekt aufgewogen , gleichzeitig aber auch verstärkte
Solidarisierungseffekte ( und folglich eine erhöhte Deklarationsbereitschaft ) in ihrem
Vor- und Umfeld hervorgerufen haben.
Die Annahme , dass die parteipolitische Bekenntnisfreude unter völkischen Kor-
porierten mit den Wahlerfolgen ( und dem Rechtsruck ) der FPÖ zunahm , wird auch
durch entsprechende Entwicklungen in RFS und Aula gestärkt. Dass Letztere 1991
den Untertitel ‚Das freiheitliche Magazin‘ annahm , ist kaum als Zufall zu werten :
Assoziationen mit der FPÖ wurden zu dieser Zeit nicht mehr vermieden , sondern
bewusst gesucht.112 Das Naheverhältnis der Zeitschrift zur Partei fand unter den
Schriftleitern Widmann und Mölzer so umfassend wie nie zuvor Ausdruck in Inter-
views mit freiheitlichen FunktionärInnen und umfangreicher Berichterstattung über
111 Vgl. DÖW , Einladung und Programmheft zum Kommers ‚1000 Jahre Ostarrichi. Österreichs Beitrag
zur deutschen Geschichte und Gegenwart‘ am 30. 11. 1996 in Wien.
112 Vgl. Gärtner 1996 , 9.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619