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V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten
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Die Gründung der FPÖ erfolgt am 3. November 1955 , der Gründungsparteitag fin-
det Ende März 1956 statt.128 Unter den anfangs 13 Mitgliedern des Parteivorstandes be-
finden sich vier Korporierte , darunter kein einziger akademischer Burschenschafter.129
Dem Parteinamen ist der innere Konflikt , der die folgenden Jahrzehnte prägen sollte ,
bereits eingeschrieben. Allesch berichtet , wie er und Gleichgesinnte innerparteilich im-
mer wieder aufgefordert worden seien , statt ‚liberal‘ doch die Bezeichnung ‚freiheitlich‘
zu verwenden – sie bedeute „eh dasselbe“, habe aber den Vorteil , dass „bei freiheitlich
( … ) die Nationalen ( sich ) nicht ausgeschlossen“ fühlten.130 Als Konsensformel bildete
sie die begriffliche Entsprechung zu einem mit Schwankungen bis heute aufrechterhal-
tenen Leitsatz , den Allesch als „Lebenslüge“ der FPÖ bezeichnet131 : die Sichtweise ,
wonach nationale und liberale Grundsätze miteinander vereinbar , wenn nicht gar zwei
Seiten derselben Medaille seien. Ein entschiedener Vertreter dieser Auffassung war der
Burschenschafter Klaus Mahnert , nach eigenem Bekunden ein Mann des Ausgleichs.
Wenngleich ihn hauptsächlich seine „nationale( ) Grundhaltung“ zur politischen Betä-
tigung motiviert habe , seien ihm ‚liberal‘ und ‚national‘ nie als Gegensätze , sondern als
„zwei Pole“ erschienen , „die sich gegenseitig bedingen und ergänzen“, gleichsam „die
Anwendung des Freiheitsbegriffes auf zwei verschiedenen Ebenen“.132
und dem politisch von ihm geprägten Akademikerverband allerdings reserviert begegnet , darunter auch
der Wiener FPÖ-Gründungsobmann Tassilo Broesigke ( Interview vom 24. 2. 2010 ). Bemerkenswerter-
weise war Letzterer wie Timmel selbst Alter Herr eines Wiener akademischen Corps. Broesigke ge-
hörte der Danubo-Markomannia ( seit 1994 Turnerschaft ) an , Timmel der Hilaritas , die 1961 im noch
heute bestehenden Corps Saxonia aufging ( vgl. zu den Korporationen Krause 2007 , 252–254 bzw. 247 f. ).
128 Vgl. Piringer 1993a , 27 f.
129 Vgl. zur Zusammensetzung des Vorstandes Piringer 1982 , 38. Nichtsdestotrotz waren Burschenschafter
an weniger exponierter Stelle an der Parteigründung beteiligt , etwa Karl Heinz Marauschek ( Alleman-
nia Graz ), der zuvor schon als maßgeblicher Initiator des FAV-Vorgängers Akademikerverband Öster-
reich ( AVÖ ) und der Aula in Erscheinung getreten war ( vgl. Junges Leben Nr. 3/2012 , 13 ).
130 Interview vom 13. 11. 2009. Neben der Diskreditierung ‚nationaler‘ Terminologie unmittelbar nach Ende
der NS-Herrschaft war es wohl nicht zuletzt diese Konflikt vermeidende Eigenschaft , welche das La-
bel im völkischen Lager der Nachkriegszeit breite Verwendung finden ließ. Den Ausgangspunkt bilde-
ten die Universitäten : 1951 trat in Innsbruck eine Freiheitliche Wahlgemeinschaft zu den ÖH-Wahlen an ,
die wiederum die Namensgebung des im Jahr darauf gegründeten RFS inspirierte ( vgl. Hirnschall 1991 ,
24 ). 1953 benannte der AVÖ sich in Freiheitliche Akademikerverbände um und hob Fritz Stüber seine
Freiheitliche Sammlung Österreichs aus der Taufe. 1955 schließlich kandidierten VdU und Freiheitspar-
tei wie zuvor die Innsbrucker Studenten als Freiheitliche Wahlgemeinschaft zu den oberösterreichischen
Landtagswahlen ( vgl. Piringer 1982 , 32 ).
131 Interview vom 13. 11. 2009.
132 Mahnert 1991 , 31. Vgl. auch Mahnerts Artikel in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 4 / 1977 [ Juni ], 97.
Schon Gründungsparteichef Reinthaller hatte den „freie( n ) Mensch( en ) in der freien Gemeinschaft“ als
das „höchste Ziel menschlicher Entwicklung“ bezeichnet ( FPÖ 1991 , 23 ). Pennalburschenschafter Jörg
Kandutsch , Klubkollege Mahnerts im Nationalrat , bekräftigte das Einstehen für beide Dimensionen von
Freiheit als Aufgabe und Charakteristikum der FPÖ ( vgl. FPÖ 1991 , 27 ). Gerulf Stix unternahm densel-
ben Versuch einer Synthese in der Debatte um das spätere Parteiprogramm von 1985 : Während die Frei-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619