Seite - 492 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Bild der Seite - 492 -
Text der Seite - 492 -
V. Burschenschaften und politische Parteien
492
Diese Darstellung wurde nicht nur von der Freiheitlichen Partei als Organisation ,
sondern offenbar auch von vielen Einzelmitgliedern zur Befriedung ihrer inneren
Richtungskämpfe hochgehalten , wie das paradoxe deutsch-österreichische Phäno-
men des ‚National-Liberalismus‘ nahelegt.133 Sie ermöglichte es , die innerpartei-
lichen Richtungskämpfe letztlich auf ein bloßes Missverständnis zu reduzieren. Eben
diese Deutung vollzieht etwa Grillmayer in seiner ganz vom Geiste der Vermittlung
zwischen den Flügeln getragenen Parteigeschichte. Den Antiliberalismus „beken-
nende( r ) ‚Nationale( r )‘ “ wie Otto Scrinzi führt er darauf zurück , dass diese Libera-
lismus „nur in seinen möglichen Auswüchsen“ hätten wahrnehmen können.134 Diese
Sichtweise wird dem damit angesprochenen Personenkreis allerdings nicht gerecht.
Tatsächlich wussten völkische Ideologen wie Scrinzi genau , wogegen sie sich rich-
teten , wenn sie gegen Liberalismus inner- und außerhalb der FPÖ ins Feld zogen.
Diesseits bloßer Vorurteile waren es v. a. der liberale Individualismus , Universalismus
und Kosmopolitismus , die ihre Ablehnung provozierten135 , verwarfen diese doch mit
dem Volkstum als weltanschaulichem Angelpunkt und der Zwangsbindung des In-
dividuums an ein ( bio-)nationales Kollektiv Kernbestände völkischen Denkens. Vor
diesem Hintergrund verwundert nicht , dass der Antiliberalismus für die ‚Nationa-
len‘ geradezu konstitutiv wurde , sie sich „vornehmlich durch ihre Gegnerschaft zum
Liberalismus definier( t )en“.136
Der Freiheitsbegriff , den Mahnert und andere als gemeinsame Klammer bemühten ,
unterstreicht bei näherer Betrachtung gerade die Unterschiede liberaler und nationa-
listischer Weltsicht ; nicht von ungefähr drückt die Formel , wonach Freiheit des Ein-
heit des Einzelnen den „höchsten Rang in der Gesellschaftsordnung“ einnehme , komme der „Freiheit
der Völker und ihrer Selbstachtung“ der „höchste( ) Rang in der Weltordnung“ zu ( Aula Nr. 11 / 1984 , 5 ).
133 Der Typus des ‚National-Liberalen‘ kann als für die widersprüchliche politische und Ideengeschichte
der Burschenschaften bezeichnend angesehen werden. Nicht überraschend ist es daher , dass unter den
sieben von Martina Salomon exemplarisch erwähnten Exponenten dieses Typus aus der freiheitlichen
Parteigeschichte drei Burschenschafter und drei weitere Korporierte zu finden sind ( vgl. http://die-
presse.com/home/politik/innenpolitik/534244/Wo-wird-das-liberale-Pflaenzchen-gehegt , Artikel vom
20. 1. 2010 ).
134 Grillmayer 2006 , 145 f.
135 So Allesch im Interview vom 13. 11. 2009. Wie noch argumentiert werden wird , vertraten viele FPÖ-‚Li-
berale‘ diese Positionen freilich nicht in Reinform , oft gerade aufgrund ihrer verbindungsstudentischen
Sozialisation. Tendenziell recht zu geben ist Grillmayer daher in seiner Einschätzung , dass die für Scrinzi
zentrale Mission , „das Abdriften der FPÖ in ein ‚linksliberales‘ Fahrwasser zu verhindern“ , eine Gefahr
zum Gegenstand hatte , „die de facto niemals bestanden hat“ ( Grillmayer 2006 , 146 ).
136 Grillmayer 2006 , 146. Das Deutschtumsbekenntnis allein ( im Sinne eines kulturellen Zugehörigkeits-
gefühls ) taugte als Distinktionsmerkmal nicht , weil sie es mit vielen der ‚Liberalen‘ teilten. Gemein-
samkeit stifteten darüber hinaus geteilte Traditionsbezüge etwa auf 1848 ( Interview mit Allesch vom
13. 11. 2009 )
– eine Referenz , mit der freilich recht Unterschiedliches verbunden werden konnte und wohl
auch wurde.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619