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V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten
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zelnen und Freiheit der Völker zusammengehörten , sich um eine Thematisierung des
Verhältnisses der beiden Ebenen bzw. des darin enthaltenen Konflikts. Während Li-
berale individuelle Freiheit in den Vordergrund stellen , halten Burschenschafter und
Gleichgesinnte in Österreich typischerweise das Primat vermeintlicher Gemeinschafts-
interessen vor jenen des Individuums hoch ( vgl. Kapitel III.7.1 ). Statt „Egoismus“ und
„Materialismus“137
– propagieren Letztere ( Volks-)Gemeinschaftsgefühl , ( deutschen )
Idealismus und völkische Metaphysik. Dem freiheitlichen Begriff von Freiheit ist diese
illiberale bis antiliberale Stoßrichtung , Ergebnis nicht zuletzt des ideologischen Ein-
flusses der Burschenschafter , bis heute anzumerken. So zeigte sich etwa Jörg Haider
als Parteiobmann überzeugt , dass der Mensch „( w )irkliche Freiheit“ nur erleben könne ,
wenn er über „feste Wurzeln in seiner Heimat“ verfüge. Anders als Liberale können
‚Freiheitliche‘ den „freie( n ) Bürger“ nur „in sein Volkstum eingebettet“ denken.138 Die
Darstellung von liberal und ‚freiheitlich‘ als Synonyme ist somit irreführend ; Letzteres
war
– jedenfalls im Rahmen der FPÖ
– „nie eindeutig im Sinne von liberal gemeint“.139
Mit Blick auf die Rolle von Korporierten in den parteiinternen Flügelkämpfen ist
festzuhalten , dass Alte Herren von Beginn an auf beiden Seiten zu finden waren. Dies
mag im Lichte populärer Annahmen über das völkische Korporationswesen überra-
schen , ist aber sowohl aufgrund der widersprüchlichen Ideengeschichte desselben als
auch angesichts des Sozialprofils des politischen Liberalismus in Österreich nur folge-
richtig. Wie auch der Deutschnationalismus wurde liberale Politik hierzulande histo-
risch v. a. von Bildungseliten getragen.140 Für eine Partei , die ihre akademischen Kader
seit jeher aus den Korporationen rekrutiert , ist daher naheliegend , dass auch die Ver-
treter liberalerer Ansichten zu einem guten Teil dem Korporationsstudententum ent-
stammen. Dennoch wurde der Konflikt in der FPÖ nicht exklusiv unter Korporierten
ausgetragen. Bihl erwähnt etwa für die Anfangszeit die nicht korporierten Emil van
Tongel und Helfried Pfeifer als „führende deutschnationale Repräsentanten“ der Wie-
ner Landespartei im Bund sowie als liberales Aushängeschild der Partei den ebenfalls
keiner Verbindung angehörenden Willfried Gredler.141 Der Gründungs-Bundespartei-
obmann und Landsmannschafter Reinthaller war Peter zufolge einem „Kurs der Mitte
verschrieben“, wobei er auch „von der überwiegenden Mehrheit der maßgeblichen Na-
tionalen unterstützt“ worden sei.142 Unter jenen , die Peter zufolge eine Positionierung
der FPÖ in der Mitte des politischen Spektrums aufgrund ihrer extremistischen Aus-
137 Grillmayer ( 2006 , 76 ) zufolge handelt es sich hierbei um von ‚nationaler‘ Seite häufig gehegte Libera-
lismus-Assoziationen.
138 Haider 1991 , 73.
139 Interview mit Allesch vom 13. 11. 2009.
140 Vgl. Lindinger 2009 , 71 ; weiterführend Mölzer 1994c.
141 Bihl 2006 , 630.
142 Peter 1998 , 147. Vgl. zu Reinthallers Bekenntnis zu einer „Politik der Mitte“ auch FPÖ 1991 , 22.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619