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V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten
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sichts dessen , der RFS-Vergangenheit vieler Protagonisten und der Unterstützung Pe-
ters verwundert nicht , dass die Atterseer auf parteipolitischer Ebene mit großer Mehr-
heit der FPÖ nahestanden ( oder gar dort tätig wurden ). Erich Reiter , laut Grillmayer
eine Führungspersönlichkeit des Kreises nach Frischenschlagers Abgang151 , stuft 60
bis 70 Prozent der dem Zusammenhang zwischen 1972 und 1981 zurechenbaren Perso-
nen als freiheitliche Parteigänger ein152. Mit ihren antiliberalen Waffenbrüdern , die sie
dort antrafen , einte sie die Ablehnung der Großparteien und des von ihnen errichteten
Proporz- und Patronagesystems ( respektive die Erfahrung des daran Nicht-Teilhabens
bzw. Nicht-Teilhaben-Wollens ).153 Stimmers Mutmaßung , die „deutliche ideologische
Lösung“ der Attersee-Generation des RFS von den FAV gefährde „langfristig auch das
Rekrutierungspotenzial der Freiheitlichen Partei“ erwies sich somit als unbegründet ;
Korporierte strömten nach wie vor der FPÖ zu , stärkten allerdings mehr denn je auch
deren erneuerungswilligen Flügel.154
Die „kräftige( n ) liberale( n ) Impulse“ aus dem Atterseekreis beschleunigten die Libe-
ralisierung der Partei und brachten sie nach Angaben Peters „ein gutes Stück auf ihrem
Weg vom rechten Rand der politischen Landschaft in die Mitte der Politik“ voran.155
Als Ausgangspunkt diente dabei Wien , wo ab Beginn der 1970er-Jahre
( e )ine Gruppe ambitionierter , junger und weltanschaulich weitgehend liberaler Politiker , die
bundespolitisch teilweise im ‚Atterseekreis‘ engagiert waren , ( … ) zur Eroberung der Wiener
Landesgruppe an( trat ). Sie bildeten den ‚Wiener Kreis‘ , dem Norbert Steger , Holger Bauer ,
Hilmar Kabas oder Rainer Pawkowicz angehörten. Nach der Übernahme der Bezirksorga-
nisationen wurden 1975 Pawkowicz und Steger zu Obmann-Stellvertretern. 1977 löste Steger
Broesigke als Landesparteiobmann ab. Die Wiener FPÖ , vor allem vertreten durch ihren Ob-
mann Steger , war in der Folge maßgeblich an den zentralen innerparteilichen Personalent-
scheidungen ( … ) beteiligt.156
151 Grillmayer 2006 , 125.
152 Wiedergegeben in Stimmer 1997 ( Band II ), 1044.
153 Diesen Schluss legt Volker Kier im Interview vom 11. 11. 2009 ebenso nahe wie Helmut Wintersberger
im Interview vom 4. 1. 2012.
154 Stimmer 1997 ( Band II ), 1041. Die erwähnte Gefährdung trat auch deshalb nicht ein , weil der RFS ( v. a. )
von den Burschenschaften spätestens Anfang der 1980er-Jahre wieder auf verlässlich-völkischen Kurs
gebracht werden konnte ( vgl. erneut Kapitel IV.1.3 ). Der damit einhergehende Abstieg des RFS ließ
weniger diesen als ( völkisches ) Personalreservoir der FPÖ verkümmern als vielmehr – nach Beurtei-
lung Erwin Hirnschalls – den Atterseekreis als ( liberale ) „Quelle von Talenten“ versiegen ( Hirnschall
1991 , 25 ).
155 Peter 1998 , 150.
156 Bihl 2006 , 630 f. Vgl. auch Grillmayer 2006 , 138.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619