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V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten
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Wie diese Gegenüberstellung bereits andeutet , verschärfte sich während der Regie-
rungsbeteiligung der FPÖ „die bereits manifeste Polarisierung des nationalkorporier-
ten Lagers“ – jedenfalls nach Stimmers Darstellung.175 Als schärfste Gegner des libe-
ral inspirierten , sachorientierten Regierungskurses erscheinen bei ihm die ( Wiener )
Burschenschaften und Landsmannschaften. Allerdings habe sich „( s )elbst innerhalb
der konservativen Kerngruppe der Burschenschaften“ die „ideologische Auseinander-
setzung zwischen liberaler vs [ sic ] nationaler Richtung in teils sehr extremer Form
nieder( geschlagen )“. Schlussendlich seien die liberaleren Positionen in den Burschen-
schaftern nicht nur auf einen „radikal nationalistischen Gegentrend“ getroffen , sondern
durch diesen „auch zeitlich abgelöst“ worden.176 Daraus kann mit einiger Vorsicht ( zu
der die von Stimmer gelieferten , unzureichenden Belege seiner Darstellung verhalten )
geschlossen werden , dass im burschenschaftlichen Lager die Steger-Gegner tonange-
bend waren. Dass dort in den 1980er-Jahren oder zu einem anderen Zeitpunkt nach 1945
offene und harte Auseinandersetzungen entlang der erwähnten Konflikt linie geführt
worden wären , ja überhaupt eine nicht-nationale ‚Richtung‘ identifizierbar geworden
wäre , bildet sich in den ( mir ) verfügbaren Quellen allerdings nicht ab.
Unter allen Obmannwechseln , die die FPÖ in ihrer bisherigen Geschichte vollzo-
gen hat , werden jenem von Steger auf Haider in einer Kampfabstimmung am Inns-
brucker Parteitag 1986 gemeinhin die schwerwiegendsten politischen Implikationen
zugeschrieben. Zusätzlich lässt Stegers viel zitiertes Diktum vom ‚Putsch der Bur-
schenschafter‘ vermuten , dass Korporationszugehörigkeit anders als bei den bislang
behandelten Führungswechseln ein aussagekräftiger Indikator für die Zuordnung zu
den gegnerischen Lagern darstellen könnte. Dies ist allerdings nur teilweise zutreffend.
Die Relativierung muss bereits bei Stegers Einschätzung der zentralen Rolle von Bur-
schenschaftern ansetzen , die von verschiedenen Beteiligten
– Unterstützern wie auch
Gegner Stegers
– übereinstimmend zurückgewiesen wird. Mölzer ortet eine
– gleich-
wohl unter damaligen BeobachterInnen populäre
– „Überinterpretation“.177 Frischen-
schlager hält Stegers Aussage für „nicht ganz gerecht“, wenngleich Mölzer und an-
dere Kritiker des freiheitlichen Vizekanzlers „begeisterte Haiderianer“ gewesen seien
und der Burschenschafter Gugerbauer maßgeblich an der Ermöglichung des Füh-
rungswechsels beteiligt gewesen sei. Er glaube nicht , dass für Gugerbauers Motivlage
„das Burschenschaftliche eine Rolle gespielt“ habe.178 Auch Allesch gibt an , dass die
Machtübernahme Haiders nicht „von den Korporationen her gesteuert“ worden sei
derierenden Rolle innerhalb der Partei ( vgl. etwa seine Abschiedsbotschaft von 1992 , wiedergegeben in
Piringer 1994 , 24 ).
175 Stimmer 1997 ( Band II ), 1004.
176 Ebd., 1005.
177 Mölzer 2001 , 123.
178 Interview vom 11. 12. 2009.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619