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V. Burschenschaften und politische Parteien
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sen trügerischen Charakter. Mit Mölzers Sieg über die Kandidaten der Parteiführung
wurde dieser die Bedeutung ‚nationaler‘ WählerInnenkreise für eine FPÖ vor Augen ge-
führt , die weite Teile ihrer in den 1990er-Jahren neu gewonnenen Klientel zumindest
vorerst wieder verloren hatte. Haider dürfte durch Mölzers Erfolg in seinem Wunsch ,
diese Schichten ohne den völkischen Klotz am Bein zurückzuholen , zumindest bestärkt
worden sein. Zehn Monate nach der Wahl wurde die Gründung des BZÖ verkündet.208
Die Regierungsriege wechselte geschlossen in die neue Partei , nachdem – wie an
anderer Stelle bereits festgehalten – schon vor der Spaltung alle drei Korporierten
( Herbert Haupt , Reinhart Waneck , Dieter Böhmdorfer ) aus ihr entfernt worden wa-
ren. Der Nationalratsklub vollzog den Wechsel als solcher geschlossen mit , darun-
ter auch zwei Korporierte. Während allerdings Maximilian Hofmann ( VDSt Berlin
und Charlottenburg ) sich auch tatsächlich für das BZÖ engagierte , blieb Reinhard
Bösch ( aB ! Teutonia Wien ) neben Barbara Rosenkranz als einziger Abgeordneter for-
mal und inhaltlich der FPÖ verhaftet und dem freiheitlichen Klub lediglich aus fi-
nanziellen Gründen erhalten.209 Diese Gegenüberstellung ist insofern bezeichnend ,
als es sich beim VDSt generell um den einzigen Korporationsverband handelt , des-
sen auf landes- und bundespolitischer Ebene tätige Mitglieder eine gewisse Tendenz
zum BZÖ unter Beweis stellten , während umgekehrt kein einziger Burschenschafter
dort eine auch nur leidlich bedeutsame Funktion bekleidete.210 Dasselbe Bild liefert
ein Blick auf Wien : Der einzige Korporierte unter den acht 2005 zum BZÖ überge-
tretenen MandatarInnen war der VDSt-Angehörige Günther Barnet. Alle sieben aka-
demischen Burschenschafter , die zum Zeitpunkt der Spaltung in Landtag und Stadt-
regierung vertreten waren , blieben der FPÖ erhalten , deren verkleinerter Klub nun
einen Korporiertenanteil von 61,5 Prozent aufwies. Dass der Abgang ihres politisch
pragmatischeren Sektors in der FPÖ eine Renaissance der Korporiertendominanz frü-
herer Jahre einleitete ( wie bereits im statistischen Teil gezeigt werden konnte ), illus-
triert auch das Personenkomitee für Andreas Mölzers Europa-Wahlkampf von 2004.
engagiert
– fernab der großen innenpolitischen Bühnen. Der Korporiertenanteil betrug kaum ein Fünf-
tel , was einmal mehr jedenfalls die quantitative Bedeutung der Korporationen für den völkischen Par-
teiflügel relativiert. Den zweiten Teil des Komitees , der v. a. Repräsentanten des völkischen Vereinswe-
sens umfasste , dominierten sie jedoch klar.
208 Frischenschlager führt die BZÖ-Gründung auf eine Wahrnehmung Haiders zurück , wonach gewisse
Kräfte innerhalb der Partei „auf eine Verengung abgezielt“ hätten ( Interview vom 11. 12. 2009 ).
209 Konkret ging es dabei um die Sicherung einer höheren Klubförderung im gemeinsamen Interesse bei-
der Parteien. Vgl. zu diesem und ähnlichen Arrangements zwischen BZÖ und FPÖ im Sinne der beid-
seitigen Akquirierung öffentlicher Mittel http://derstandard.at/2372321 ( Artikel vom 10. 3. 2006 , Barbara
Tóth ).
210 Als Ausnahme ließe sich am ehesten der ehemalige Grazer Vizebürgermeister und steirische Landtags-
abgeordnete Paul Tremmel ( aB ! Frankonia Graz ) anführen , der 2006 als Gründungsobmann der Senio-
renplattform Zukunft Österreich fungierte.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619