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V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten
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mögen. Eine etwaige Korporationszugehörigkeit gilt dabei weder als Ausschlussgrund
noch als hinreichender Nachweis der Eignung.
Im Sinne eines Zwischenresümees über den verbindungsstudentischen Einfluss innerhalb
der FPÖ lässt sich festhalten , dass Korporierte als Einzelpersonen zu jedem Zeitpunkt in
maßgeblichen Parteifunktionen wirkten , wobei Phasen des starken Wachstums die Stel-
lung der Korporierten sowohl personell als auch inhaltlich eher bedrohten als förderten.
Dieses Phänomen scheint einen strukturellen Konflikt zum Ausdruck zu bringen , der
sich zwischen dem Wunsch nach Massenappeal , dem Wunsch nach Salonfähigkeit und
dem Anspruch der Prinzipientreue ergibt. Ungeachtet dessen ist festzuhalten , dass Kor-
porierte und selbst Burschenschafter im die Parteigeschichte prägenden Konflikt zwi-
schen ‚liberal‘ und ‚national‘ durchaus nicht einheitlich positioniert waren ( und unter den
‚Nationalen‘ sich stets auch zahlreiche Nichtkorporierte fanden ). Dass selbst prononciert
liberale Freiheitliche stets zu einem Gutteil den Korporationen entstammten , liegt schon
aufgrund der engen Bindung des ( österreichischen ) Liberalismus an akademische Kreise
und der freiheitlichen Praxis der Rekrutierung akademisierter Kader aus dem Verbin-
dungswesen nahe. So wirkten Alte Herren im Atterseekreis als treibende Kraft der vor-
übergehenden Liberalisierung der FPÖ unter Peter , Steger und ( mit Abstrichen ) Götz
ebenso wie in den Kreisen seiner Gegner , wenn auch Burschenschafter in größerer Zahl
unter letzteren vertreten gewesen sein dürften. Auf individueller Ebene war auch eine
zumindest subjektiv konsistente Verankerung in beiden ideengeschicht lichen Traditio-
nen möglich , feststellbar etwa bei Klaus Mahnert oder Rainer Pawkowicz.
Der Einfluss von Korporierten auf die FPÖ kann vor diesem Hintergrund nicht als
generell konservativer und/oder im völkischen Sinn radikalisierender Art eingestuft wer-
den. Ein Umkehrschluss , wonach die Zugehörigkeit zu einer völkischen Verbindung
keinerlei Indikatorfunktion für die politisch-ideologische Positionierung innerhalb der
Partei aufweise , wäre dennoch unzutreffend. Als Kollektivakteure und in der Masse ih-
rer politisch aktiven Mitglieder scheinen v. a. die Burschenschaften in deutlich höhe-
rem Maß den ‚nationalen‘ Parteiflügel und dessen Anliegen gestärkt zu haben als den
liberalen. Erstgenannter Flügel wurde durchaus nicht nur von Korporierten gebildet ,
aber stets maßgeblich von ihnen getragen und meist auch angeführt. Die Verteilung der
Korporierten auf verschiedene Lager in Personaldebatten ist nicht zuletzt darauf zu-
rückzuführen , dass in diesen stets auch Motive jenseits des im engeren Sinne Ideologi-
schen eine Rolle spielten. Als gemeinsamer Nenner jedenfalls der meisten Korporier-
ten lassen sich neben der teilweise leidenschaftlichen Gegnerschaft zum schwarz-roten
Korporatismus und Patronagewesen ein ausgeprägtes akademisches Standesbewusstsein
und das Vorhandensein eines relativ klar umrissenen weltanschaulichen Standpunktes
( welcher Ausrichtung auch immer ) anführen. Haiders paraideologischer Populismus
und die dazu passende Personalpolitik schwächten die Parteiintellektuellen insgesamt
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619