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V. Burschenschaften und politische Parteien
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und damit auch die beiden verfeindeten ideologischen Lager unter den Korporierten.
Während Liberale allerdings nicht davor zurückschreckten , in Zeiten großer Erfolge
mit der FPÖ zu brechen , tolerierten die Völkischen Verletzungen ihrer Prinzipien , so-
lange die Wahlerfolge bzw. Umfragedaten stimmten.219
Hinsichtlich des liberalen Korporiertenspektrums sollte nicht unterschlagen werden ,
dass dessen Vertreter nicht unbedingt eine klassisch-kosmopolitische Ausformung von
Liberalismus vertraten. Dass Steger 1980 „nicht als ‚liberal‘ , sondern als ‚national-liberal‘
deklarierter Kandidat“ zur Obmannwahl antrat , diente zum Teil sicherlich dazu , seine
Vermittelbarkeit gegenüber völkischen Kreisen inner- und außerhalb der Partei zu er-
höhen ; auch die bewusste „Einbeziehung der national-liberalen Tradition“ in die Politik
des Atterseekreises war partiell wohl taktisch motiviert.220 Allerdings konnte die Sozia-
lisierung vieler Akteure des Kreises in völkischen Vereinen und Familien nicht gänzlich
folgenlos bleiben : Deutschtumsbekenntnis und Solidaritätsbekundungen für die Kriegs-
bzw. ‚Vätergeneration‘ waren vielen von ihnen kaum bloßer Lippendienst , wohl aber von
einer gewissen Ambivalenz gekennzeichnet.221 Die Konflikte , welche die Atterseer mit
den Freiheitlichen Akademikerverbänden ausfochten , lassen sich vor diesem Hintergrund
als zu einem Gutteil inner-verbindungsstudentische Generationenkonflikte interpre-
tieren. Diese konnten innerhalb der Parteistrukturen ( wie zuvor bereits über den RFS )
möglicherweise schärfer ausgetragen werden als in den Bünden selbst , wo das Lebens-
bundprinzip ebenso effektiv wie repressiv Scheinharmonie stiftete ( vgl. Kapitel III.4.2 ).
Gleichwohl herrschte selbst innerhalb des Atterseekreises keine ( nachhaltig ) ein-
heitliche Auffassung darüber vor , was unter Liberalismus zu verstehen sei. So schreibt
Grillmayer über Allesch , der nach Haiders Machtübernahme aus der FPÖ austrat und
sich später dem Liberalen Forum anschloss , er sei „zunehmend in ein linkes Fahrwas-
ser geraten , wohin ihm später auch seine Freunde vom Atterseekreis nicht mehr folgen
219 ( U. a. ) völkisch-nationalistisch motivierte Aufstände in Schwächephasen ereigneten sich etwa 1966
( NDP ), 1984 ( NFA ), 1986 ( Innsbruck ), 2002 ( Knittelfeld ) und 2004 ( Europawahlen ). Demgegenüber
lassen sich nicht weniger als vier sich liberal verstehende FPÖ-Abspaltungen in den 1990er-Jahren nen-
nen : die Freie Demokratische Partei um Mario Ferrari-Brunnenfeld ( 1992 ), das Liberale Forum um Heide
Schmidt ( 1993 ), die Freien Demokraten um Ingrid Kariotis und Ewald König ( 1996 ) und die Freie De-
mokratische Union um Rüdiger Stix ( 1998 ).
220 Bihl 2006 , 631 bzw. Grillmayer 2006 , 125. Stegers nicht allzu konfrontatives Verhalten gegenüber den
‚Nationalen‘ auch nach seiner Amtseinsetzung mochte auch dadurch motiviert gewesen sein , in einer
Schwächephase der Partei die verbliebenen Funktionäre eben auch dieser Richtung bei der Stange zu
halten ( vgl. Allesch 1988 , 15 ).
221 Grillmayer zufolge sei die Nachkriegsstudierendengeneration aus nationalen Familien ihren Eltern
„durchaus kritisch gegenüber( gestanden )“ und habe ihnen auch „unbequeme Fragen“ gestellt , sich aber
„in hohem Maß mit ihren Vätern und Müttern solidarisiert( ), sobald diese pauschal kriminalisiert wur-
den“ ( Grillmayer 2006 , 99 ). Vgl. dazu auch Frischenschlagers Aussage über die „Loyalität zur Kriegs-
generation“ in Kapitel II.5.5 sowie Kapitel IV.2.3.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619