Seite - 512 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

V. Burschenschaften und politische Parteien 512 lich Ideologie-beflissene Kernklientel zu adressieren , aus welcher Erstere sich zu rekru- tieren pflegen. Insofern lassen die Programme zwar Rückschlüsse auf die innerpartei- liche Rollenverteilung , das weltanschauliche Profil der Ideologen und die ideologischen Bedürfnisse der Kernklientel zu , sagen aber unter Umständen wenig über die realen innerparteilichen Kräfteverhältnisse und die tatsächlich betriebene Politik einer Par- tei aus.224 Dementsprechend hält Lindinger fest , dass „( d )er Einfluß der studentischen Korporationen auf das politische Geschehen ( … ) weniger durch theoretische Ausfor- mung der Parteiziele gegeben“ sei als vielmehr durch die konkrete „Mitarbeit in den Parteigremien und Vertretungskörpern“.225 Auch tendieren Parteiprogramme dazu , zum Zeitpunkt ihrer Abfassung hegemoniale Tendenzen an der Parteispitze überzubetonen. So vermerkt Grillmayer , dass eine „liberale Ausrichtung“ wohl seit 1973 in den program- matischen Schriften der FPÖ „durchgängig erkennbar“ gewesen sei , nicht aber bei den „freiheitliche( n ) Politiker( n )“.226 Im folgenden Schnelldurchlauf durch die freiheitliche Programmgeschichte verzichte ich auf eine lückenlose Aufzählung und Kommentie- rung der einzelnen Dokumente227 , da die Entwicklung im Wesentlichen den im vori- gen Abschnitt bereits nachgezeichneten Grundlinien folgt. Im Zentrum steht statt- dessen die verbindungsstudentische und v. a. burschenschaftliche Beteiligung an der freiheitlichen Programmarbeit. Von einer solchen lässt sich , Grillmayer zufolge , im engeren Sinn erst seit den 1970er-Jahren sprechen. Bis dahin habe man sich mehr „am ‚gesunden Hausverstand‘ “ und „der aktuellen politischen Konstellation“ orientiert , seien FPÖ-Politiker „vornehm- lich Praktiker und Pragmatiker“ gewesen.228 Als einzige „Programmdenker“ der Partei bis 1970 nennt Grillmayer Mahnert , Broesigke und Götz : allesamt Korporierte , Erste- rer Burschenschafter.229 Dieser Aufzählung wäre Hubert Knaus anzufügen , immerhin ab dem Gründungsjahr FPÖ-„Referent für weltanschauliche und Grundsatzfragen“, Beteiligter an der Erstellung des ersten Partei( kurz )programmes  – und ebenfalls Bur- schenschafter ( Suevia Innsbruck ).230 Mahnert war bei der Ausarbeitung des Parteipro- 224 Dies schon gar nicht in einer FPÖ unter Jörg Haider , in der einem häufig zitierten Bonmot zufolge ( vgl. z. B. Luther 2005 , 8 ) stets ‚das zuletzt gesprochene Wort des Parteiobmannes‘ programmatisch maßge- bend gewesen sein soll. Übereinstimmend damit hält Mölzer ( 2001 , 136 ) fest , dass sich schon kurz nach Beschluss des Parteiprogrammes von 1997 gezeigt habe , „daß jene , die da meinen , Parteiprogramme seien auch nur Papier , die mit der Realität wenig zu tun hätten , recht haben“. 225 Lindinger 2009 , 71. 226 Grillmayer 2006 , 148. 2005 sei diese Ausrichtung mit der Abspaltung des BZÖ „völlig verloren gegan- gen“ ( ebd. ). 227 Vgl. hierzu aus kritisch-sympathisierender Sicht ( bis Anfang der 1980er-Jahre ) Reiter 1982. 228 Grillmayer 2006 , 124. 229 Ebd., 125. 230 Dvorak 1999 ( Biographisches Lexikon I/3 ), 113.