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V. Burschenschaften und politische Parteien
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Richtung Liberalismus wird dadurch nicht umgekehrt240 , eher nimmt sie ab 1980 un-
ter Obmann Steger noch an Fahrt auf. Entsprechend skeptisch werden in völkischen
Kreisen die Vorarbeiten zu einem neuen Parteiprogramm verfolgt , bei dem erneut ein
Korporierter federführend wirkt : Gerulf Stix. Auch Frischenschlager war , wie gene-
rell an der Programmarbeit der Steger-Ära , prominent beteiligt.241 „( K )ein Wort ( … )
von der deutschen Nation“, vermerkt die Aula lapidar , als dieser 1984 einen Bericht aus
der Programmkommission vorlegt , und stellt den Ausführungen Stix’ demonstrativ
die „zwölf Salzburger Thesen“ von Scrinzis National-Freiheitlicher Aktion gegenüber.242
Das fertige Programm fiel , nach übereinstimmender Beurteilung so unterschiedlicher
Kommentatoren wie Mölzer und Allesch , weniger liberal aus als von seinen Urhebern
geplant.243 Namentlich macht Allesch dafür keinen Burschenschafter , sondern die
damalige Kärntner Landtagsabgeordnete Kriemhild Trattnig verantwortlich , die –
so Frischenschlager – „Haider uns in den Programmausschuss geschickt“ habe.244
Auch in der Ära Haider wurde – Mitte der 1990er-Jahre – die Erarbeitung eines
neuen Programmes in Angriff genommen. Nach der Ablösung des Kreises um Steger
und der Abspaltung des LiF schien die Hoffnung der Aula auf eine „schärfere ideolo-
gische Akzentuierung“ in ihrem Sinne nicht unbegründet. Auch Vorarbeiten Mölzers
und Ewald Stadlers sowie eines vom Obmann unter der Leitung Trattnigs eingesetz-
ten Arbeitskreises nährten diese Erwartung , wenngleich die Aula auch eine mit „eher
realpolitische( n )“ Überlegungen betraute Arbeitsgruppe um Erich Reiter und Wal-
ter Howadt erwähnt.245 Drei der vier genannten Männer waren ( zum damaligen Zeit-
punkt ) korporiert , Reiter als der Burschenschafter unter ihnen eher für die liberalen
Impulse zuständig.246 Als „Vater“ des Endproduktes wird gemeinhin Stadler angesehen ,
damals freiheitlicher Klubobmann im Nationalrat ; als weitere Beteiligte nennt Mölzer
Wilhelm Brauneder , Jörg Freunschlag , Lothar Höbelt und Herbert Scheibner – mit
Ausnahme des Zweitgenannten durch die Bank Nichtkorporierte.247 Trotz eines 1997
am Linzer Bundesparteitag mit überwältigender Mehrheit gefassten Beschlusses über
240 Dies konstatiert etwa auch ein parteiexterner Beobachter wie Riedlsperger ( 1991 , 88 ).
241 Vgl. Mölzer 2001 , 135 ; Interviews mit Allesch vom 13. 11. 2009 und mit Frischenschlager vom 11. 12. 2009.
242 Aula Nr. 11 / 1984 , 5. Anders als der „mühsam zur Harmonie“ drängende Programmentwurf würden die
Thesen des NFA „an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig“ lassen ( ebd. ).
243 Vgl. Mölzer 2001 , 135 bzw. Interview mit Allesch vom 13. 11. 2009.
244 Interviews mit Allesch vom 13. 11. 2009 bzw. mit Frischenschlager vom 11. 12. 2009.
245 Aula Nr. 9 / 1993 , 11 ( Autor unter dem Pseudonym „Vinzenz Eschlauer“ ist Andreas Mölzer ).
246 Sowohl Reiter ( laut Frischenschlager im Interview vom 24. 2. 2010 ) als auch Stadler ( nach Auskunft sei-
nes parlamentarischen Mitarbeiters vom 23. 7. 2012 ) traten später aus ihren Verbindungen – der Grazer
Burschenschaft Cheruskia bzw. der Innsbrucker Universitätssängerschaft Skalden
– aus , Letzterer aller-
dings mutmaßlich nicht aus ideologischen Gründen , sondern im Zusammenhang mit der FPÖ-inter-
nen Affäre um die Veröffentlichung kompromittierender Fotos des Parteiobmannes 2006/2007.
247 Mölzer 2001 , 135. Piringer ( 1998 , 68 ) bezeichnet Stadler als Leiter der Redaktionsgruppe.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619