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V.4 Programmatik und Policy-Ebene
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die FPÖ anzunehmen habe.256 Daraus ist freilich nicht notwendig auf einen spezifisch
burschenschaftlichen Einfluss zu schließen , wurden doch beide Anliegen jedenfalls über
die ersten Jahrzehnte der Parteigeschichte von weiten Teilen der Partei geteilt. Immer
wieder traten in den angesprochenen Bereichen auch Nichtkorporierte mit densel-
ben Forderungen wie Burschenschafter und mit ebensolchem Einsatz wie diese her-
vor. Als verdienstvollen Streiter gegen die österreichische Nation würdigt Klaus Mah-
nert etwa den nichtkorporierten Helfried Pfeifer , in puncto Südtirol / Alto Adige neben
diesem und Otto Scrinzi die ebenfalls nicht korporierten Gustav Zeillinger und Sieg-
fried Dillersberger.257 Sechs und damit die Mehrheit der bislang zehn Südtirolsprecher
der FPÖ waren nicht korporiert , darunter mit Walter Meischberger ein Exponent der
‚Buberl-Partie‘ ; nur einer der zehn – Mahnert – war akademischer Burschenschafter.
Von einer auffällig hohen Repräsentanz kann vor dem Hintergrund der in Abschnitt
V.1 dargestellten Korporierungsquoten nicht die Rede sein. Auch jenseits der Spre-
cherfunktion ist keine auffällige Beschränkung der einschlägigen Parteiaktivitäten auf
Korporierte feststellbar. Hinsichtlich der in der Südtirolfrage vertretenen Positionen
war sowohl unter den korporierten FPÖ-Politikern258 als auch im Vergleich derselben
mit ihren nicht korporierten KollegInnen die Vielfalt gering. Als Ende 1969 im Nati-
onalrat die sogenannte Paketlösung zur Debatte steht , folgt die freiheitliche Fraktion
der Position der völkischen Hardliner dies- und jenseits des Brenners und versagt der
Kompromisslösung ihre Zustimmung.259 Die der Ablehnung zugrunde gelegte Selbst-
bestimmungsforderung wird von der FPÖ bis heute aufrechterhalten , partei interne
Differenzen sind in der Frage
– jedenfalls entlang des Korporierungsmerkmals
– nicht
feststellbar.260 Gleichzeitig wurden gerade von Alten Herren , insbesondere vom füh-
renden korporierten Parteiideologen Andreas Mölzer , auf europäischer Ebene Koope-
rationen mit italienischen Post- und NeofaschistInnen gesucht – freilich flankiert von
umso leidenschaftlicheren Bekenntnissen zur Unrevidierbarkeit der traditionellen frei-
heitlichen Südtirol-Forderungen.261
Zweitens wäre darauf hinzuweisen , dass Korporierte in den Reihen der FPÖ üb
licher-
weise durchaus keine Beschränkung auf völkische Kernthemen an den Tag legten –
256 Mahnert 1991 , 31.
257 Vgl. ebd.
258 Selbst ein eher liberaler Vertreter des Milieus wie Grillmayer ( 2006 , 143 f. ) notiert , die „aktive Teilnahme
am Freiheitskampf des BAS“ habe „bester burschenschaftlicher Tradition [ entsprochen ]“. Gleichwohl
ist Grillmayers Hinweis zutreffend , dass eine Haltung der Toleranz ( bis hin zur aktiven Unterstützung )
für den von völkischem Fanatismus getragenen Terror in Österreich durchaus nicht auf burschenschaft-
liche Kreise beschränkt , sondern auch in beträchtlichen Teilen der konservativen und selbst sozialde-
mokratischen Eliten anzutreffen war ( vgl. ebd., 144 ).
259 Vgl. Grillmayer 2006 , 120.
260 Vgl. zur Dokumentation Neubauer 2009 , darin auch die Liste der Südtirolsprecher ( 306 f. ).
261 Vgl. Schiedel 2007 , 147 f.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619