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V. Burschenschaften und politische Parteien
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zumal nicht die Burschenschafter-in-der-Politik.262 Tatsächlich pflegte die Bearbeitung
dieser Themen nur einen kleineren Teil ihrer gesamten politischen Praxis auszuma-
chen. So mag es angesichts des verbindungsstudentischen Elitarismus ( vgl. Kapitel
III.6.3 ) überraschen , dass mehrere FPÖ-aktive Burschenschafter besondere Aktivi-
tät auf sozial politischem Gebiet entfalteten. Für die erste Hälfte der bisherigen Partei-
geschichte wären dabei v. a. die Pennalburschenschafter Wilhelm Kindl und Jörg Kan-
dutsch zu erwähnen. Letzterer nahm u. a. die später unter Haider und Strache forcierte
Posi tionierung der FPÖ als ‚sozial statt sozialistisch‘ vorweg und war wesentlich an der
inhaltlichen Profilierung der Partei im Bereich der Sozialpolitik beteiligt.263 Auch Jörg
Haider wirkte in der Frühphase seiner bundespolitischen Karriere als freiheitlicher So-
zialreferent und als Sozialsprecher ihrer Nationalratsfraktion.264 Für die rot-blaue Ko-
alitionsregierung war er , deren Vizekanzler Steger zufolge , als Sozial-Staatssekretär im
Gespräch.265 Zu den Vorkämpfern ökologischer Inhalte innerhalb der FPÖ zählten
wiederum die Vereinsstudenten Scrinzi und ( Gerulf ) Stix. Ersterer legte 1972 das erste
freiheitliche Umweltschutzkonzept vor266, Letzterer präsentierte im Jahr darauf ein Pa-
pier zur Energiepolitik und profilierte sich als Atomenergie-Kritiker und Fürsprecher
alternativer Energien.267
Die Feststellung einer Nicht-Beschränkung korporierter FPÖ-Funktionäre auf völ-
kische Themen im engeren Sinn ist drittens um die Beobachtung zu ergänzen , dass
die Betreffenden sehr wohl dazu tendierten , auch andere Themen aus völkischem
Blickwinkel wahrzunehmen und zu bearbeiten – ein Phänomen , das naheliegender-
weise insbesondere für Burschenschafter-Politiker zu konstatieren ist. So begann das
erste , maßgeblich von Kandutsch geprägte Sozialprogramm der FPÖ mit einem Be-
kenntnis „zur Gemeinschaft des Volkes als nationale und soziale Einheit“.268 Scrin-
zis umweltpolitisches Engagement wiederum ging nach eigenem Bekunden von der
Überzeugung aus , dass der Mensch „sich nur in der Gebundenheit von Familie , Volk
und Heimat zu echter ‚Humanitas‘ entwickeln“ könne. Im Bereich der Gesundheits-
politik zählten „Erbgesundheit und Geburtenpolitik“ zu den zentralen Anliegen des
262 Vgl. zur Terminologie Kapitel III.2.4. Zu den politischen Errungenschaften von Verbindungsstuden-
ten in der Partei sowie der Partei im Allgemeinen auf diesem und anderen Gebieten vgl. die wohlwol-
lende Darstellung in Piringer 1982 und 1993 ff. sowie ( in Kurzform ) in FPÖ 1996 , 60 f.
263 Vgl. den in FPÖ 1991 , 27 f. wiedergegebenen Artikel Kandutschs von 1956 ; zu Kindls Verdiensten vgl.
Grillmayer 2006 , 130 und FPÖ 1996 , 60. Beide korporierten Mandatare werden in der Festschrift zum
35-jährigen Parteijubiläum als „Vorkämpfer neuer Sozialideen“ vorgestellt ( FPÖ 1991 , 34 ).
264 Vgl. Steger 1991 , 72 bzw. FPÖ 1991 , 53.
265 Vgl. Steger 1991 , 66.
266 Vgl. FPÖ 1996 , 60 und Scrinzi 1991 , 41.
267 Vgl. FPÖ 1996 , 60 ; Grillmayer 2006 , 120 ; Stix 1991 , 49.
268 Zit. in FPÖ 1991 , 27.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619