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V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen
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sam natürlichen , da „bürgerlichen“ Bündnispartner.285 Auch Antisemitismus konnte
ein Motiv sein , es eher mit den Christlichsozialen zu halten.286
Jenseits historischer und ideologischer Momente spielten freilich auch sehr kon-
krete materielle Interessen eine Rolle bei der Entscheidung des individuellen Kor-
porierten für die eine oder andere Tendenz ( vgl. zu beruflich motivierten Lager-
wechseln auch Abschnitt V.2 ). Wenn Stüber als Bestandsaufnahme für 1954 festhält ,
dass Burschenschafter auch in der SPÖ ( hier „vor allem“ im BSA ) und „vereinzelt so-
gar“ in der ÖVP zu finden wären , oder Wintersberger „die BSAler“ als zweitstärkste
Gruppe unter Olympen nach den FPÖ-Parteigängern erinnert , während die ÖVP
„eher schwach vertreten“ gewesen sei287 , so spricht aus diesen Befunden neben histo-
risch gewachsenen Affinitäten und politisch-ideologischen Vorlieben der Betreffenden
nicht zuletzt auch der Umstand , dass der Anschluss an die Sozialdemokratie deut-
lich größere Chancen bot , binnen kürzester Zeit in der gewünschten Weise versorgt
zu werden.288 Während die Christlichsozialen auf ihre alten Eliten aus dem Stän-
destaat und die schon bald wieder auf Hochtouren operierenden Kaderschmieden des
ÖCV zurückgreifen konnten , war ein größerer Teil der sozialdemokratischen Eliten
der Zwischenkriegszeit ermordet oder vertrieben ( und nicht zurückgeholt ) worden ;
Aula Nr. 10–11 / 1995 , 24. Die Deutschtumsbekenntnisse historischer Sozialdemokraten werden u. a. in
der 100-Jahres-Festschrift der Aldania ( 1994 , 68 , 75 , 105 und 112 f. ) ausführlich zitiert.
285 Vgl. dazu die Gegenüberstellung eines „marxistischen“ und eines „bürgerlichen Block( s )“ in BAK , DB
9 , E. 4 [ B2 ], Vorsitzbericht an den DBÖ-Tag 1964 , Beilage I zum DBÖ-Rundschreiben Nr. 4 ( Liber-
tas ) vom 22. 12. 1964 , 3 ; ferner AVSt , Einladung zu einer Diskussionsveranstaltung der Bruna Sudetia
über das FPÖ-‚Ausländervolksbegehren‘ 1993 vom 25. 1. 1993 , bei der Vertreter von FPÖ und ÖVP „die
Argumente der bürgerlichen Parteien“ vorstellen sollten.
286 So berichtet Allesch im Interview vom 13. 11. 2009 von der Reserviertheit häufig noch nationalsozialis-
tisch sozialisierter Exponenten des völkischen FPÖ-Flügels gegenüber Bruno Kreisky aufgrund von
dessen jüdischer Abstammung und Vergangenheit als politischer Exilant.
287 Burschenschaftliche Blätter Nr. 5 / 1954 , 1955 bzw. Interview mit Wintersberger vom 4. 1. 2012. Letzterem
zufolge waren die BSA-Mitglieder unter seinen ( ehemaligen ) Bundesbrüdern „meist ( in ) der verstaat-
lichten Industrie“ tätig. Die Rekrutierung von Burschenschaftern für solche Funktionen verlor parallel
zum Aufbau eigenständiger sozialdemokratischer Personalreservoirs zweifellos an Bedeutung. Dennoch
konnte noch 1986 ein Burschenschafter ( Hugo Michael Sekyra , Alania Wien ) einem anderen ( Franz
Geist , Cruxia Leoben ) als Generaldirektor der Verstaatlichten-Holding ÖIAG nachfolgen. Dabei ist
in Rechnung zu stellen , dass die Ernennung Geists zur Zeit der von der FPÖ geduldeten Minderheits-
regierung Kreisky I erfolgt und jene Sekyras noch von der rot-blauen Regierung der 1980er-Jahre vor-
genommen worden sein dürfte. Beide waren engagierte Burschenschafter : Geist wirkte zeitweilig als
Altherrenobmann seiner Verbindung , Sekyra war Funktionsträger auf Verbandsebene gewesen und u. a.
1963 erstmals in den Gemeinsamen Hauptausschuss , das geschäftsführende DBÖ-Organ , eingezogen
( vgl. Aula Nr. 5 / 1981 , 18 bzw. BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Niederschrift des DBÖ-Tages 1963 , 12 ).
288 Vgl. dazu auch die Einschätzung Cerwinkas im Interview vom 1. Juli 2007 , dass im Rahmen der berufs-
bedingten Eintritte von Burschenschaftern in eine der Großparteien „eine Tendenz zur SPÖ“ bestan-
den habe , wobei allerdings historische Beweggründe eine durchaus nicht unbedeutende Rolle gespielt
hätten.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619