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V. Burschenschaften und politische Parteien
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Auch Frischenschlager erwähnt das Motiv , die Angreifbarkeit der FPÖ aus linker
bzw. antifaschistischer Perspektive durch eine Koalition mit der SPÖ zu reduzie-
ren und unterstreicht , dass angesichts einer Kreisky-Regierung mit sechs ehemaligen
NSDAP-Mitgliedern die „emotionale Kluft“ zwischen SPÖ und FPÖ damals geringer
gewesen sei als heute. In den 1970er-Jahren
– die Duldung der Minderheitsregierung
Kreisky I durch die FPÖ im Abtausch gegen die lange in Aussicht gestellte Wahl-
rechtsreform hatte für eine weitere Annäherung gesorgt – sei „selbst ein Scrinzi ( … )
nicht gegen Rot-Blau“ gewesen , „Broesigke schon gar nicht“, verweist Frischenschla-
ger auf entsprechende Offenheit zweier Korporierter.299 Scrinzi selbst berichtet von
einem Gespräch mit Kreisky Anfang der 1970er-Jahre , in dem er , Scrinzi , sich als ei-
ner „Mitte-Links-Regierung“ ( gemeint : einer FPÖ-SPÖ-Koalition ) aufgeschlossen
gezeigt habe.300 Steger erwähnt , dass korporierte Funktionäre wie Broesigke , Kindl
und Mahnert zumindest Peters Linie unterstützt hätten , zu beiden Großparteien „gute
Gesprächskontakte“ zu unterhalten.301
Die Ära Götz brachte einen vorübergehenden Schwenk von der rot-blauen zur
schwarz-blauen Option mit sich , wofür Grillmayer nicht zuletzt den „bürgerlichen
Hintergrund“ des Peter-Nachfolgers verantwortlich macht.302 Allerdings reflektierte
dessen gutes persönliches Verhältnis zu maßgeblichen ÖVP-Funktionären wie dem
steirischen Landeshauptmann Josef Krainer senior auf individueller Ebene bloß die ge-
nerelle Nähe der steirischen Landes-FPÖ zu ihrer Entsprechung im christlich-sozialen
Lager nach 1945 ( vgl. den Exkurs im vorliegenden Abschnitt ).303 Steger deutete seine
Erwählung zum Obmannkandidaten des Vorstandes , wie bereits erwähnt , vor diesem
Hintergrund als Manöver grauer Parteieminenzen ( unter ihnen auch Korporierte ), um
die Kontakte zur SPÖ zu reaktivieren und so doch noch jene sozialdemokratisch-frei-
heitliche Koalition zu verwirklichen , die in den 1970er-Jahren nicht zustande gekom-
men war.304 Dieses Ziel wurde nach dem Verlust der absoluten SPÖ-Mehrheit 1983
stets nach dem je aktuellen eigenen Kalkül wahlweise für respektabel oder für unberührbar erklärt ( In-
terview vom 24. 2. 2010 ).
299 Interview vom 24. 2. 2010.
300 Scrinzi 2003 , 262 f. ( Zitat : 263 ). Die Aufgeschlossenheit war demnach bilateraler Art : Weiters berichtet
Scrinzi , dass Kreisky ihm 1971 noch vor der Wahl für den Fall einer Koalition das Gesundheitsministe-
rium angeboten habe ( vgl. ebd., 263 bzw. übereinstimmend Steininger 2007 , 68 ). Der ehemalige Rassen-
biologe wäre der fünfte ehemalige NSDAP-Angehörige in der Startformation der Regierung Kreisky
II gewesen.
301 Steger 1991 , 61.
302 Vgl. Grillmayer 2006 , 141 f. ( Zitat : 142 ). Zu Götz’ Ablehnung einer Orientierung auf die SPÖ hin vgl.
Götz 1991 , 57 und Piringer 1993b , 124.
303 Interview mit Frischenschlager vom 24. 2. 2010. Demnach hätten die Steirer schon vor der Übernahme
der Bundespartei durch Götz gegen die SPÖ-Orientierung Peters opponiert. Zum „( g )ute( n ) Einver-
nehmen“ zwischen Götz und Krainer vgl. auch FPÖ 1991 , 120 ( Herv. entf. ).
304 Vgl. Steger 1991 , 62.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619