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V. Burschenschaften und politische Parteien
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einschließlich der steirischen
– nicht für Schwarz-Blau gewinnen zu können.320 Dass
es siebzehn Jahre später doch dazu kam , war einmal mehr nicht zuletzt steirischem
Einfluss zu verdanken. 1991 ortete Jürgen Hatzenbichler in der Aula ein verstärktes
„Werben( ) der Christlichsozialen um die österreichischen Deutschnationalen“, das
vom Steirer Gerhard Hirschmann ausgegangen sei. Als Vertreter eines „stark deutsch-
nationalen und wertkonservativen Flügel( s )“ in der ÖVP nennt Hatzenbichler mit
Krainer senior , Gorbach , Hanns Koren ( u. a. Landeshauptmann-Stellvertreter und
Landtagspräsident ) und Otto Hofmann-Wellenhof ( Bundesrat ) ausschließlich Stei-
rer.321 Die zeitlich mit der von Hatzenbichler ausgemachten Werbeoffensive zusam-
menfallende Einbindung des Turnerschafters Martin Bartenstein in die ÖVP durch
Krainer junior Anfang der 1990er-Jahre wurde gleichfalls „( v )on Insidern ( … ) als Si-
gnal ans nationale Lager interpretiert“. Bartenstein galt seither als wichtiger „Verbin-
dungsmann der ÖVP zu den Freiheitlichen“ und diente als Minister ( u. a. ) in beiden
Schüssel-Regierungen.322
So eindeutig das völkische Verbindungswesen sich in seiner Parteienpräferenz nach 1945
auf die FPÖ festgelegt zeigte , so uneinheitlich stellt sich seine Positionierung gegenüber
den Großparteien bzw. in der Frage nach dem bevorzugten ( Koalitions-)Partner der
Freiheitlichen dar. Klare Tendenzen lassen sich – über die Einschätzungen von Zeit-
zeugen hinaus – kaum identifizieren , nicht einmal für Untergruppen. Dies nicht nur
aufgrund der ideologischen Heterogenität des Untersuchungsgegenstandes , sondern
auch aufgrund innerer Widersprüche besonders der burschenschaftlichen Ideologie.
Im Einzelfall konnten liberalere Burschenschafter sowohl aus gesellschaftspolitischen
Gründen zur SPÖ als auch aus wirtschaftspolitischen Erwägungen zur ÖVP tendie-
ren ; jene mit besonders hart ausgeprägter völkisch-nationalistischer Gesinnung konn-
ten den Feindbildern Kirche und Austriazismus oder aber jenen des Marxismus und
Internationalismus den Vorzug geben. Die konservativen , klassistischen und elitaristi-
schen Anteile burschenschaftlicher Ideologie begünstigten eine Inklination zur ÖVP ,
die rebellischen , sozialen und freisinnigen eine solche zur Sozialdemokratie. Die daraus
sich ergebende Unmöglichkeit , ‚rechtere‘ und ‚linkere‘ Korporierte pauschal einer Koa-
litionspräferenz zuzuordnen323 , widerspiegelt letztlich nichts anderes als die erwähnte
widersprüchliche Ausgestaltung burschenschaftlicher Ideologie an sich.
320 Vgl. Steger 1991 , 65.
321 Aula Nr. 10 / 1991 , 13.
322 trend Nr. 4/2000 , 66 bzw. 67.
323 Siehe etwa Stübers und Scrinzis SPÖ-Kontakte oder das Eintreten just der Kärntner Landespartei ge-
gen eine explizite Absage an Rot-Blau 1970 ( vgl. Schmidt 1991 , 45 ) sowie umgekehrt Schmidts Behaup-
tung , die ÖVP habe 1970 mit der Warnung vor einem roten Kanzler „( v )or allem in besonders national
eingestellten Kreisen , Verbindungen und Diskussionsrunden ( … ) Wirkung“ erzielt ( ebd., 44 f. ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619