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V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen
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Es mag angesichts solcher Uneindeutigkeit nicht überraschen , dass auch die Hal-
tung einer Absage an beide Koalitionsformen in freiheitlichen Kreisen nicht unüblich
war. Grillmayer berichtet , dass Peter zufolge die ParteifunktionärInnen der FPÖ „zu je
einem Drittel vehement ÖVP-feindlich bzw. SPÖ-feindlich eingestellt“ gewesen seien
oder „überhaupt jede Art von Regierungsbeteiligung“ abgelehnt hätten.324 Wenngleich
diese Aussage nicht eins zu eins vom FunktionärInnenkader auf das völkische Verbin-
dungswesen übertragen werden kann , ist doch davon auszugehen , dass auch so mancher
Korporierte sich eine Zusammenarbeit der FPÖ mit keiner der beiden Großparteien
vorstellen konnte. Bisweilen mochte dafür , neben den eigentlichen Ablehnungsmotiven
gegen Rot und Schwarz , auch eine generelle Oppositionsorientierung verantwortlich
zeichnen.325 Grillmayer legt nahe , dass Peters Drittel-Befund ein die Parteigeschichte
durchziehendes Strukturmerkmal darstellt , schließt er doch , dass die FPÖ in Exekutiv-
verantwortung immer „besonders krisenanfällig“ sei , weil die Beteiligung an einer ( Ko-
alitions-)Regierung stets von zwei Dritteln und ergo der „Mehrheit des Partei volkes“
abgelehnt werde. Dies aber setze die jeweilige Parteiführung einer ständigen laten-
ten Putschandrohung aus326
– wie die Ereignisse von 1986 ( Innsbruck ), 2002 ( Knittel-
feld ) und der ‚Putsch von oben‘ unterstreichen , den Haider 2005 unternahm. Auch im
Lichte von Peters Einschätzung , wonach die „ ‚Weder-noch-Stimmung‘ “ in der Par-
tei mit der Stärkung liberaler Kräfte und dem Rückgang des „nationale( n ) Potentials“
abgenommen habe327 , erscheint es plausibel , den hart völkisch-nationalistisch orien-
tierten Teil der Korporierten als wesentlichen Faktor im die Oppositionsrolle hoch-
haltenden Sektor der Partei und ihres Vorfeldes einzustufen. Diese Haltung entsprä-
che letztlich auch der in Österreich vorherrschenden Auslegung burschenschaftlicher
Ideologie ( vgl. Kapitel III.6.2 ).
324 Grillmayer 2006 , 101. Dieselbe Drittel-Aufteilung erwähnt Stüber ( 1974 , 176 ). Kritisch zur FPÖ als
„Neinsager-Partei“ und „Berufsopposition“ äußert sich Zeillinger ( 1991 , 29 ).
325 Als schärfste Ausformung einer solchen lässt sich in manchen Fällen ein grundsätzlicher Unwille
konstatieren , eine Regierungsbeteiligung in einem Staat einzugehen , dessen Existenz man als zu
korrigierenden Irrtum der Geschichte wahrnahm und dessen tragende Ideologie man in mehrer-
lei Hinsicht ( Austriazismus , Antinazismus ) ablehnte. Eine abgeschwächte , nicht prinzipielle Form
der Koalitionsverweigerung wurde vom frühen Obmann Haider vertreten : Die FPÖ dürfe nur als
prägende Kraft regieren , „( f )ür ein Schattendasein als Kleinausgabe von Rot und Schwarz sind wir
Freiheitlichen einfach nicht geschaffen“ ( Haider 1991 , 72 ). Bereits Reinthaller hatte erklärt , dass die
FPÖ bereit sei zu regieren – allerdings nur unter Bedingungen wie der „Abschaffung des Propor-
zes“ und der „Abstandnahme von Geschichtsfälschungen“ in puncto der nationalen Identität Öster-
reichs ( FPÖ 1991 , 22 ).
326 Grillmayer 2006 , 143.
327 Peter 1998 , 150.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619