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V. Burschenschaften und politische Parteien
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lichkeiten der FPÖ , solchen Erwartungen gerecht zu werden , schwankten über den
Zeitraum der Zweiten Republik freilich mit der Stärkeentwicklung der Partei. Ange-
sichts der gesamtgesellschaftlich ( und seit den 1980er-Jahren auch an den Hochschulen )
marginalen Bedeutung des völkischen Verbindungswesens als solchem bzw. der Auf-
merksamkeit , die dieses aus eigener Kraft zu generieren vermochte , kam und kommt
einer erfolgreichen FPÖ daher entscheidende Bedeutung als missing link zu den ein-
schlägigen Schalthebeln zu.333
Ort der (partei-)politischen Betätigung
Die Umsetzung bzw. Vertretung völkischer Anliegen durch die FPÖ konnte auf Zuruf
aus Korporiertenkreisen oder auch durch Korporierte in der FPÖ selbst erfolgen. Für
letztere Variante steht der in Kapitel III.2.4 erwähnte Typus des Burschenschafter-Poli-
tikers , der in seiner parteipolitischen Tätigkeit burschenschaftlichen Idealen ( in seiner
jeweiligen Auslegung derselben ) Breite und Geltung zu verschaffen sucht. Die Mo-
tive , die Partei als Plattform politischer Betätigung zu wählen , konnten durchaus unter-
schiedlich sein. Wollte der eine bloß die im Bund vermittelten Dogmen gesamtgesell-
schaftlich zur Geltung bringen334 , erkannte der andere in der FPÖ ( analog zum RFS
um 1970 ) einen Ort , der gerade ein weniger durch fixe Glaubenssätze determiniertes
politisches Agieren ermöglichte als die Korporation selbst. In beiden Fällen konnte auch
die konkrete materielle Lebenssituation des Betreffenden eine Rolle spielen : Die jahr-
zehntelange Abschließung von Karrierewegen für keiner der beiden Großparteien zu-
getane AkademikerInnen im öffentlichen Dienst , in der verstaatlichten Industrie und
teilweise auch an den Hochschulen dürfte unter völkisch gesinnten Hochschulabsol-
venten eine wichtige Triebfeder für persönliches politisches Engagement dargestellt
( und dieses – vgl. Abschnitt V.7 – gleichzeitig materiell erleichtert ) haben.
Ungeachtet der jeweils für einen FPÖ-Eintritt ausschlaggebenden Intentionen wa-
ren die durch die Partei angebotenen Opportunitätsstrukturen für ihre Umsetzung dem
historischen Wandel unterworfen. Noch 1964 wurde auf der Reform-Arbeitstagung der
333 Selbst eine schwache FPÖ war jedoch in der Lage , die politische Relevanz des ihr vorgelagerten Kor-
porationswesens zu vervielfachen. Dies legt zumindest Andreas Mölzer nahe , wenn er darauf hinweist ,
dass die „Verbands- und Vereinsstrukturen des herkömmlichen nationalliberalen Lagers“ bei letalem
Ausgang der Parteikrise vor dem Antritt Haiders jegliche politische Prägewirksamkeit eingebüßt hätten
und lediglich „im vorpolitischen Raum , folkloristisch gewissermaßen“ weiterbestanden hätten ( Mölzer
2001 , 122 ).
334 Als Beispiel für die mehr oder weniger unmittelbare Umsetzung burschenschaftlicher Dogmatik in par-
teipolitisches Handeln lässt sich der an anderer Stelle schon erwähnte Sueve Hubert Knaus anführen ,
der um 1960 die Politik sowohl der FPÖ als auch der Burschenschaften Österreichs gegenüber der slo-
wenischen Minderheit in Kärnten/Koroška maßgeblich prägte ( vgl. Dvorak 1999 , Biographisches Le-
xikon I/3 , 112 f. und BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], DBÖ-Rundschreiben Nr. 4 [ Cruxia ] vom 1. 4. 1962 , 1 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619