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V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen
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DBÖ beklagt , dass immer weniger Burschenschafter „leitende Stellungen im öffent-
lichen Leben oder in Industrie und Wirtschaft“ innehätten. Die Sichtweise , dass „bei
der politischen Zusammensetzung unseres Staates ein Eindringen in die Führungs-
schichte unmöglich sei“, sorgte damals dem Sitzungsprotokoll zufolge für „große Re-
signation“.335 Ganz anders stellte die Situation sich zur Jahrtausendwende dar. Unter
den Bedingungen der freiheitlichen Regierungsbeteiligung ließen sich burschenschaft-
liche Wünsche nun direkt an den Waffenbruder im Ministerium kommunizieren , so-
fern dieser sie nicht ohnehin aus eigenem Antrieb wahrnahm. „Wir erwarten , daß sich
Minister mit burschenschaftlichem Hintergrund für den Freiheitsgedanken einset-
zen
– besonders in der Justiz , wo endlich etwas gegen menschenrechtswidrige Bestim-
mungen wie das Verbotsgesetz getan werden muß“, erklärte der Olympe Walter Asperl
2000 öffentlich.336
Die nachhaltige Etablierung von Korporierten ( im Folgenden konkret : Burschen-
schaftern ) in der FPÖ erfolgte zum Teil über die Ausbildung verbindungsstudentischer
Seilschaften innerhalb der Parteistrukturen. Ein besonders deutliches Beispiel dafür
liefert , wie in Abschnitt V.1.2 schon angedeutet , Aldania Wien. Deren Aufstieg zu ei-
ner zentralen Kaderschmiede des freiheitlichen Wiener Landtagsklubs begann mit der
Generation um die Mitte der 1960er-Jahre aktiv gewordener Burschen. Die Kommi-
litonen Erich Engl , Johann Herzog , Helmut Kowarik und Rainer Pawkowicz sollten
allesamt mindestens zu Landtagsabgeordneten in Wien avancieren , ebenso wie die in
etwa gleich alten , aber erst später zum Bund gestoßenen Rudolf Stark und Kurth-Bodo
Blind. Als erster der Genannten zog Pawkowicz 1978 in das Stadtparlament ein. Als
Engl 1992 als Letzter hinzustieß , war er einer von sieben Bundesbrüdern unter insge-
samt 23 freiheitlichen Abgeordneten. Dazu gehörte mit Eduard Schock auch ein Ver-
treter einer jüngeren Aldanen-Generation
– jener , die den Bund nach mehrjähriger Ver-
tagung 1979 reaktiviert und inzwischen ebenso den Weg in die Stadtpolitik angetreten
hatte. Neben Schock fand aus dieser Generation auch Gerald Ebinger den Weg in den
Landtag , Andreas Guggenberger wurde FPÖ-Landesgeschäftsführer. Die Rolle Alda-
nias als herausragender Rekrutierungspool der Wiener Landespartei war damit defini-
tiv etabliert und wurde nach der Jahrtausendwende von einer dritten Generation wei-
ter verstetigt. Die Stimmenzuwächse 2010 verhalfen mit Dominik Nepp und Armin
Blind zwei neuen Aldanen zu Landtagsmandaten.
335 AAG , Korrespondenzen , DBÖ , Rundschreiben und Protokolle , Protokoll der Salzburger Arbeits tagung
vom 30. 4. 1964 , 3.
336 Zitiert in Format Nr. 21/2000 , 50. Die Pluralform in der Adressierung war insofern unangebracht , als
der Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt nur ein einziger Burschenschafter angehörte
– dieser , Dieter
Böhmdorfer , allerdings passenderweise als Justizminister. Asperls Forderung in Sachen Verbots gesetz
blieb – ob aus Unwillen oder Unvermögen der bzw. des Adressaten – unerledigt.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Untertitel
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Autor
- Bernhard Weidinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619